Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
gestanden hatte und seit Urzeiten niemals verletzt worden war, ließ er völlig vernichten; an seiner Stelle errichtete er eine Kirche für den heiligen Märtyrer Romanus«.
Indes, keiner begehrte die Ostmission ungestümer als Bischof Brun von Querfurt, der Sachse »aus edelstem Geschlecht« und ehemalige Hofkaplan Ottos III., ein nimmermüder »Bekehrer« bei Ungarn, Petschenegen, Preußen. Besonders den »unfruchtbaren Boden« der letzteren wollte er »mit göttlicher Saat befruchten«. Doch die Undankbaren machten ihn 1009 zum Märtyrer, und Boleslaw kaufte ihnen die Leiche ab. Ein veritabler Heiliger also wie Heinrich selbst, durch dessen Polenkrieg er freilich gerade die eigenen ambitiösen, von den Petschenegen bis nach Schweden reichenden Pläne, zumal sein Lieblingsprojekt, die Liutizenmission, durchkreuzt sehen mußte.
So klagte er den Herrscher brieflich Ende 1008 der Härte, der Grausamkeit an. Auf drei Schauplätzen zugleich führe er Krieg, d.h. nicht nur gegen die Slawen, sondern auch in Lothringen und Bayern. Es klingt manchmal sehr pazifistisch, was der »Auserwählte unter den Kindern Gottes« (Thietmar) vorbringt. In Wirklichkeit aber will der Heilige den Heiligen nur gegen die Heiden hetzen. Er tadelt den König, daß er Boleslaw bekriege, der ihm, Brun, doch viele Güter schenkte, der auch seiner Preußen-Mission mit Geld und Gut und allen Kräften helfen wollte. »Dieser Boleslaw versichert Euch«, schreibt er Heinrich II., »weil er sich in Ewigkeit nicht davon lossagen darf, daß er Euch
bei der Unterwerfung der Heiden
immer aufs eifrigste zu unterstützen und in allem gern zu dienen (servire) verpflichtet ist.«
Stets aufs neue rügt der Bischof des Königs Krieg gegen Christen, und dies auch noch an der Seite von Heiden. »Wie stimmt Christus mit Belial? Was hat das Licht für eine Gemeinschaft mit der Finsternis?« zetert er. »Ist es wohl edel, einen Christen zu verfolgen und ein heidnisches Volk zum Bundesgenossen zu haben?« Wehe über die elende Zeit rufend, in der kein König mehr die Heiden bekämpfe und die eigene Ehre höher stehe als der Vorteil Christi, begehrt er leidenschaftlich den Krieg gegen sie. Denn nur wenn Heinrich die Wenden mit den Waffen zum Glauben zwinge, handle er nach dem Wort des Evangeliums: Nötige sie herein zu kommen! (Sehen es doch, nach Augustinus, einem der versiertesten Haß- und Gewaltpropagandisten, »viele gerne, wenn man sie zwingt!« Ergo: cogite intrare ... I 480 ff!) Der hl. Heinrich sollte, nach dem hl. Brun, mit den christlichen Polen Frieden schließen, um gemeinsam mit ihnen die Liutizen zu besiegen, um diese in die Kirche zu zwingen, um sie gewaltsam zu Christen zu machen. Niemand vor den Kreuzzügen hat leidenschaftlicher den Krieg gegen das Heidentum verlangt. 65
Was aber macht die katholische Legendengeschichtsschreibung aus diesem Kampf des hl. Heinrich und der heidnischen Liutizen gegen die katholischen Polen? Das Gegenteil!
Noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht so in P.M. Vogels »Lebensbeschreibungen der Heiligen Gottes« (mit »Approbation des hochw. bischöflichen Ordinariates Regensburg«): »Besonders merkwürdig ist sein Krieg gegen die damals noch heidnischen Völker in Polen, welche Merseburg verheerten und viele Kirchen niederbrannten. Er zog gen sie zu Felde, rief die heiligen Laurentius, Georg und Hadrian um Schutz an gegen die Ungläubigen, gelobte die Wiederherstellung des Bisthumes nach Besiegung der Feinde, ließ am Vorabende der Schlacht die ganze Armee die heiligen Sakramente empfangen, verrichtete auf gleiche Weise seine Andacht, und siehe! an der Spitze des kaiserlichen Heeres erschienen die drei Heiligen. Schrecken ergriff die Heiden; sie flohen und ergaben sich ohne Widerstand.« Heinrichs katholische Gegner, die Polen, werden zu »Heiden« umgefälscht, zu »Ungläubigen«, und von seinen paganen Kampfgenossen, den Liutizen, ist keine Rede!
Noch 1986 aber schreibt der Bamberger Volkskundler Klaus Guth im »St. Otto-Verlag« von dem fast lebenslang Krieg führenden Kaiser, er habe »ein eigentümliches Ethos der Verantwortung und Friedenssorge« verwirklicht. Allerdings eigentümlich. Das Ethos eben eines Heiligen. Noch vor Karl »dem Großen« wurde Heinrich II. 1146 durch Papst Eugen III. kanonisiert, also durch jenen (1872) seliggesprochenen »Bluthund« (so Arnold von Brescia, Abaelards Nachfolger an der Pariser Universität), der nur ein paar Monate früher zum völlig scheiternden Zweiten
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