Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
eine polnische Friedensdelegation unter dem ihm blutsverwandten Boleslaw-Sohn Mieszko in den Kerker werfen und die Vornehmsten töten. Ja, er selbst stieß angeblich seinem Verwandten das Schwert ins Hirn und stach mit seinen Spießgesellen die übrigen Wehrlosen ab.
Polenfürst Boleslaw war bei den Thronwirren im Nachbarland nicht tatenlos geblieben. Auch hier schien die Stunde wieder einmal günstig. Im Januar 1003 fiel er in Böhmen ein, verjagte Herzog Jaromir nebst Bruder und Mutter und zog dann auch Boleslav III. aus dem Verkehr. Er hatte ihn zunächst unterstützt. Doch als dieser »hinterlistige Blutmensch« im Frühjahr 1003 bei einem Massaker unter seinen Großen auch seinem Schwager eigenhändig den Kopf spaltete – »noch dazu in der heiligen Fastenzeit!« (Thietmar) –, da rief ihn der Piastenfürst an seinen Hof. Zwar empfing er den Böhmen freundlich, ließ ihn aber schon in der nächsten Nacht überfallen, blenden und sperrte dann den Blinden in christlicher Barmherzigkeit 34 Jahre, bis zu seinem Tod (1037), auf einer Burg in Polen ein. Er selber residierte 1003 auf dem Prager Hradschin, übernahm auch die Herzogswürde dort (oder, modern gesagt, die Regierungsverantwortung) und gebot nun, beinah plötzlich, über ein Großreich von der Ostsee bis zu den Karpaten, von Warthe und Weichsel bis fast zur Donau. Böhmen zwar wurde nur bis 1004, Mähren aber bis 1029 polnisch. 63
Dieser Nachbar, unter dem das frühfeudale Land immer mehr erstarkte und sich ausbreitete, schien dem hl. Heinrich zu mächtig. Ein Vorgehen dagegen aber war schwierig. Selbst Heinrichs eigener Bruder, »der bischöfliche Teufel von Augsburg«, stand auf der Seite des Polenherzogs. Auch Reichsfürsten sympathisierten mit dem vor kurzem noch verbündeten katholischen Partner Ottos III. Einige waren Bundesgenossen des Polen, die Ekkehardiner mit ihm sogar nah verwandt. Die Lust an einem Krieg aber hielt sich gerade bei den Ostsachsen, die ihn größtenteils auszutragen hatten, in Grenzen; zumal auch die Landschaft, unwegsam, wald- und sumpfreich, wenig geeignet zum Kampf für die deutschen Heere war und die Polen dann sehr geschickt taktierten, sich auf den Kleinkrieg verlegten, Troß und Fouragiertrupp überfielen, doch offene Feldschlachten mieden. 64
So warb Heinrich, der »allerchristlichste« König, ehe er das in Gnesen geschlossene Bündnis und das große Konzept christlicher Ostpolitik gründlich umstieß und gegen das katholische Polen und dessen Fürsten, Ottos »cooperator mundi«, losschlug, um Bundesgenossen. Und er bekam sie in den bisher so verbissen bekriegten heidnischen Wenden, die jetzt die Expansionspolitik des Herzogs von Polen und Böhmen bedrohte.
Durch »äußerst freundliche Geschenke und angenehme Versprechungen«, so Thietmar, machte sich der König die Liutizen und Redarier willfährig. Just am hl. Osterfest 1003 empfing er ihre Abgesandten und schloß mit ihnen den gegen die christgläubigen Piasten gerichteten Pakt, der die bisherige Kooperation im Osten zerriß, den Krieg vorbereitete und das Prestige der Heiden hob. Heinrich II. verbot die Mission bei ihnen: Liutizen und Redarier blieben mit seiner ausdrücklichen Gutheißung Heiden! Auf Rückeroberung der verlorenen Gebiete wurde vorläufig verzichtet, ebenso auf Wiederherstellung der Bistümer Brandenburg und Havelberg.
Der Bündniswechsel, vielleicht Heinrichs wichtigste Regierungsentscheidung, wurde keinesfalls allgemein gebilligt. Nicht wenige waren schockiert, zumal viele sächsische Große, die natürlich bei den Liutizen Tribute einzuheimsen und ihren Besitz auf Kosten der Nachbarn zu erweitern hofften; ganz beiseite, daß sie während Ottos polenfreundlichem Kurs verwandtschaftliche Bande mit polnischen Feudalherren geknüpft hatten.
Auch manche kirchliche Kreise waren viel weniger scharf auf Krieg als auf neue Zehnteinkünfte. Andere verwarfen den Polenfeldzug mehr oder minder radikal aus »religiösen« Gründen; sie wollten Mission, Heidenbekehrung.
Wigbert von Merseburg, von Heinrich unmittelbar vor Kampfausbruch in größter Eile zum Bischof gemacht (1004–1009) und wiederholt beschenkt, mehrmals mit der Abgabe der Kaufleute »und ungläubigen Juden«, predigte unentwegt, um die Götzendiener »von ihrem nichtigen Irrglauben abzubringen«. Dabei kannte der »trefflich gebildete Mann«, wie Thietmar, sein Nachfolger, schreibt, kein Pardon – »den heiligen Hain Schkeitbar, der bei den Umwohnern immer in göttlichem Ansehen
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