Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
einträgliche Papsttum augenscheinlich als ihren Privatbesitz. So bekämpfte man einander, obwohl, wie gesagt, zum gleichen Clan gehörend, zunächst mit Waffengewalt, wobei Papst Benedikt, ein forscher Draufgänger, der gewaltsam den Lateran eingenommen, seinen Rivalen im Juni/Juli auch ihre Burgen in den Bergen entriß, indem er persönlich die Milizen führte.
In Rom, wo sein Bruder Alberich als »erlauchtester Consul und Herzog« die Macht errungen, festigte Benedikt mit Hilfe weiterer Verwandter seine Position. So erhielt Bruder Romanus, der nachmalige Papst, alsbald bedeutenden Einfluß. Der Mann der Crescentier aber, Gregor (VI.), wurde verjagt. Er eilte nach Deutschland und erschien an Weihnachten 1012 am Hof Heinrichs II. in Pöhlde in vollem papalen Ornat. Möglicherweise war er ja rechtmäßig gewählt. Doch als er seine Anerkennung und Einsetzung forderte, untersagte ihm Heinrich das Tragen päpstlicher Insignien, hielt ihn freilich hin, die Entscheidung nach einer kanonischen Untersuchung in Rom versprechend – eines der vielen Versprechen des Heiligen, die nicht mehr waren als Schall und Rauch.
Denn da Benedikt VIII., was bald bis Deutschland drang, »vor allen seinen Vorgängern herrsche«, da er auch die Gründung des Bamberger Bistums bestätigt und dem König die Kaiserkrönung angeboten hatte, erkannte dieser den ihm zudem genehmeren Tuskulaner, den Sieger, an und ließ den Konkurrenten definitiv fallen. Als er ein Jahr später nach Rom kam, war von der Rechtslage, einem Urteil selbstverständlich keine Rede mehr. Das Urteil hatte längst die Opportunität gesprochen, der Gegenpapst spurlos den Schauplatz der Geschichte geräumt. 84
Heinrich aber, »der von Gottes Gnaden ruhmwürdige König« (Thietmar), beeilte sich jetzt, zumal er schon 1004 mit der Kaiserkrone gerechnet. Er machte sich im Osten den Rücken frei, beendete – vorläufig – den Polenkrieg und überschritt, während auch die Luxemburger Fehde (S. 64 ff.) abflaute, im Herbst 1013, trotz ungünstiger Jahreszeit und Überschwemmungen der Gebirgsflüsse, zum zweitenmal die Alpen. Die Gattin sowie eine Reihe von Prälaten begleiteten ihn, Eberhard von Bamberg darunter, Heinrich von Würzburg, Burchard von Worms, Erkenbald von Mainz, Meinwerk von Paderborn, Eido von Meißen, Egilbert von Freising, und in Pavia stießen weitere Bischöfe und Äbte dazu.
Frieden, den der ins Bergland von Ivrea ausweichende Arduin anbot, unter Anerkennung der deutschen Oberhoheit, wobei er sogar, würde ihm nur eine Grafschaft belassen, die Krone niederzulegen und seine Söhne als Geiseln zu stellen versprach, lehnte Heinrich ab. Jeden Ausgleich vermied er. Dagegen begünstigte er auffallend den hohen Klerus, und zwar überwiegend auf Kosten der weltlichen Magnaten, was ihm die einen ebenso zutrieb wie die anderen zu Gegnern machte.
In Rom wurde der König von Papst, Geistlichkeit und Volk festlich begrüßt. Und am 14. Februar 1014 krönte ihn Benedikt VIII. in St. Peter mit dem üblichen Pomp zum Kaiser und Kunigunde zur Kaiserin. Bei dieser Gelegenheit bekam der Monarch die von einem Kreuz gezierte goldene Kugel – der erste Beleg für die Verwendung eines »Reichsapfels«, Bestandteil bekanntlich der in Jahrhunderten sich sammelnden Reichsinsignien, deren Besitz die Rechtmäßigkeit der Herrschaft auswies (vgl. S. 16 f.). Vor der Krönung mußte der Regent allerdings geloben, stets ein verläßlicher »Schirmherr und Schützer« (patronus et defensor) der römischen Kirche und dem Papst samt seinen Nachfolgern in allem getreu zu sein; wobei Heinrich sogar auf die traditionelle Oberhoheit verzichtet hat. 85
Der prunkvollen Feier und einem glänzenden Bankett folgte nur wenige Tage danach das Blutvergießen – seit Otto I. fast schon übliches Schlußritual einer Kaiserkrönung. Denn als Heinrich in Auseinandersetzungen zwischen Farfa (40 km nördlich von Rom, im Mittelalter eine der reichsten Abteien Italiens) und einigen Crescentiern zugunsten des Klosters entschied, erhoben sich die Römer und wurden von den Deutschen zusammengeschlagen, wobei »auf beiden Seiten nicht wenige fielen; erst die Nacht trennte sie schließlich« (Thietmar).
Die Kaiserkrone hatte damit die ihr geziemende blutige Aura, und ihr Träger wagte nicht mehr, den Crescentiern ernsthaft entgegenzutreten. Kaum mit vollen Hosen, doch mit vollen Kassen verließ er schnell die Heilige Stadt, verschaffte in Ravenna seinem Halbbruder Arnald noch das Bischofsamt, stiftete ein
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