Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
zunächst die Crescentier-, dann die Tuskulaner-Päpste, deren Ära erst mit dem großen Schisma der Synode von Sutri 1046 zu Ende ging.
Gerbert von Aurillac, Silvester II., der erste französische, noch von Otto III. berufene Papst, war am 12. Mai 1003 verschieden, vielleicht gewaltsam, vielleicht an Malaria. Und schon am 16. Mai bekam er in Johann XVII. einen Nachfolger. Doch auch dieser starb auf unbekannte Weise bereits sechs Monate später.
Der siebzehnte Johann hätte wohl gern mit dem neuen deutschen König kontaktiert, wurde daran aber von Johannes II. Crescentius (auch Crescentius III. genannt) gehindert. Dieser, der über große Gebiete Mittelitaliens gebot und Heinrich II. angeblich laufend Geschenke schickte, verständigte sich mit ihm und hielt ihn von Rom fern.
Der Crescentier war der Sohn jenes Rebellen Crescentius, den Otto III. vor wenigen Jahren, 998, unter Wortbruch und gelenkt von Papst Gregor V., mit zwölf Unterführern auf den Zinnen der Engelsburg hatte köpfen und hinunterstürzen lassen (V 555, bes. 559). Sein Sohn nahm 1003 als Patricius Romanorum die Zügel desto fester in die Hand. Er dominierte als absoluter Befehlshaber die Stadt, den Kirchenstaat, die Päpste. Sie waren völlig von ihm abhängig, und Johann XVII., vermutlich sein Verwandter, verschwand bereits am 6. November 1003 wieder von der Bildfläche. 79
Gegen Jahresende folgte der Römer Johannes Fasanus als Johann XVIII. (1003–1009), vielleicht nochmals ein Verwandter des Crescentius, sicher sein Kandidat, seine Marionette. Jedenfalls festigte Roms starker Mann seine Stellung durch eine wohlkalkulierte Sippenpolitik. Die Söhne seiner Schwester Rogata, Oddo und Crescentius, machte er zu Grafen und Rectoren; den älteren Sohn seiner Schwester Theoderanda, Johann, erhob er zum Herzog von Spoleto und Markgrafen von Camerino, den Jüngeren, Crescentius, zum Grafen; offenbar einen weiteren Verwandten desselben Namens ernannte er zum Stadtpräfekten.
Wie sein Vorgänger wäre Johann XVIII. dem König gern in Rom begegnet, aber wieder verwehrte es der Crescentier, der in Erinnerung an den Tod seines Vaters wohl genug von deutschen Herrschern hatte. Der Papst gab seinen Segen zur Gründung des Bistums Bamberg (S. 67) und landete, so heißt es, als Mönch in S. Paolo fuori le Mura; ob freiwillig oder gezwungen, bleibt offen, genauere Umstände sind nicht bekannt.
Wie sein Nachfolger Sergius IV. (1009–1012) avancierte, ist gleichfalls ungeklärt, gewiß aber wieder als Geschöpf des Patriziers Johannes.
Sergius, Sohn des Schusters Petrus aus Rom, hieß selbst Petrus (mit dem Spitznamen Os oder Bucca Porci, Schweinsmaul, Schweineschnauze). Er war fünf Jahre Bischof von Albano, unterhielt auch Beziehungen zum deutschen König, ohne daß dieser freilich nach Rom hätte ziehen können. 80 Vielleicht ließ der Papst auch deshalb seine Gedanken noch weiter in die Ferne schweifen. Denn Sergius Schweinsmaul (so nennt ihn auch Bischof Thietmar) soll als erster Heiliger Vater einen Kreuzzugsaufruf erlassen haben.
Es geschah nach Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem 1009 oder 1010 durch den Fatimidenkalifen al-Hakim (996–1021), der den eigenen Anhang verfolgte, und dessen Sohn, Kalif al-Tahir, die ruinierte Kirche wieder aufbauen ließ, was man jedoch im Abendland verschwieg. Nach dem Bericht zweier französischer Chronisten bezichtigte man damals die Juden Frankreichs, den Muslimen verleumderische Meldungen über einen drohenden Kreuzzug in den Orient zugespielt und dadurch den Kalifen provoziert zu haben.
Die Kopie des ersten papalen Kreuzzugsmanifestes aus dem 11. Jahrhundert wurde 1682 durch den königlichen Intendanten Nicolas-Joseph Foucault in der Benediktinerabtei Moissac (Provinz Languedoc) entdeckt. Und 1857 hat Jules Lair das erregende, für die Vorgeschichte des Ersten Kreuzzugs zweifellos bedeutsame, auch mit dem vollen Text erhaltene Dokument in der Pariser Bibliothèque Nationale bemerkt und publiziert.
Seitdem aber ist der Aufruf stark umstritten, haben ihn prominente Forscher für unecht erklärt (so Julius Pflugk-Harttung, Paul Comte de Riant, Johannes Haller, Harald Zimmermann u.a.), andere prominente Forscher für echt (so Jules Lair selbst, Paul Fridolin Kehr, Adolf Waas). Um 1930 suchte Carl Erdmann endgültig die Echtheit, um 1950 Alexander Gieysztor endgültig die Unechtheit des Textes zu erweisen. Und 1991 resümiert Hans Martin Schaller nach einer eingehenden Analyse des Schriftstücks: »Kein
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