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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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einziges formales oder inhaltliches Argument gegen die Echtheit der Enzyklika hat sich als stichhaltig erwiesen ...« 81
    In dem Rundschreiben, logisch wie sprachlich gleich kläglich, ruft Sergius IV. die ganze Christenheit zu Opfern, zu Spenden für die Rüstung, zur Nachfolge Christi, zur Rache auf. Er ruft nach Waffen und Schiffen (die Italiener wollten tausend Schiffe noch »in isto anno« ausrüsten), ja, er selbst will mit nach Syrien, um die Muslime totzuschlagen. Nach der Schilderung des demolierten heiligen Grabes preist er stets erneut das Verdienstvolle des bevorstehenden Krieges, die »Schlacht des Herrn«. Nicht um ein kümmerliches Königreich gehe es, sondern um Gott und den Kampf gegen die Feinde Gottes, um das Seelenheil, das Himmelreich. Und natürlich verspricht er allen Kämpfern Sieg und ewiges Leben. Es kann ihm kaum schnell genug gehen. »Venite, filii, defendite Deum et regnum acquirite aeternum! Spero, credo et certissime teneo, quia per virtutem domini nostri Ihesu Christi nostra erit victoria ...« Kommentar eines katholischen Papsthistorikers: »Ein friedlicher, karitativer Papst, der zum ersten Male – vergebens – zu einem Kreuzzug aufrief.«
    Bemerkenswert, daß mit dem Schrei nach Krieg auch ein Ruf nach Frieden erscholl; nach einem allgemeinen Frieden unter den Christen, unter allen Kirchen, Ländern, Gläubigen, da Gott ja ein Gott des Friedens sei, und durch den Frieden natürlich der Krieg, das heilige Grab und das ewige Leben gewonnen werden sollen. Eine herrliche Moral! Doch wurde aus der ganzen schönen Sache nichts, vielleicht weil die »Ungläubigen« schneller waren. Wohl in Kenntnis all der frommen Vorbereitungen überfielen sie Pisa, das christliche Rüstungszentrum, und zerstörten die Stadt. 82

Papst Benedikt VIII., den der hl. Heinrich »verstehen und achten« konnte

    Der fast gleichzeitige Tod von Sergius IV. am 12. Mai und von Patricius Johannes II. Crescentius am 18. Mai 1012 sowie die sofortige Wahl eines neuen Papstes aus dem Kreis des rivalisierenden Geschlechts nährten den Verdacht, Sergius und der Crescentier seien Opfer eines Verbrechens geworden. Jedenfalls ging die Gewalt in Rom nun an die Grafen von Tusculum (bei Frascati) über, die Nachfahren der berüchtigten Sippe des Theophylakt, mit der einst das »Römische Hurenregiment« seinen Auftakt nahm (V 481 ff.). Von ihrem fast uneinnehmbaren Nest, älter als Rom, herab bestarrten die beutegierigen Herren de Tusculana seit Jahren die Stadt, bloß darauf lauernd, sie endlich in ihre Fänge zu bekommen. Diesen Augenblick sahen sie mit dem Tod, dem doppelten Todesfall, von Patrizius Johannes und Papst Sergius gekommen und drangen vor. 83
    Schon am 21. Mai kürten sie Theophylakt, den zweiten Sohn des Grafen Gregor von Tusculum, wobei sie ihn, so pressierte es, gleich im Schnellverfahren vom Laien zum Papst machten. Auch war er Simonist, erließ aber auf gemeinsamen Synoden (1014, 1020, 1022) mit Kaiser Heinrich Beschlüsse gegen die Simonie.
    Indes nicht so ungewöhnlich. Und noch ein halbes Jahrtausend später wird Julius II. (1503–1513), Vater, beiläufig, dreier »natürlicher« Töchter, die er als Kardinal gezeugt, nur durch üppigste Simonie Papst. Und dies, nachdem er die Absetzung seines Vorgängers Alexander VI. wegen Simonie betrieben hatte. Wie er ja auch selbst, der Simonist, durch eine Bulle die Ungültigkeit simonistischer Wahlen dekretiert.
    Theophylakt bedang sich für die Vergabe des Palliums enorme Beträge aus. Und als er, einer großen Familie zu Gefallen, wider jedes Kirchenrecht die Errichtung des Bistums Bisulduno genehmigte, verfügte er, bei jeder künftigen Besetzung desselben dem Heiligen Stuhl eine stattliche Geldsumme zu zahlen, wobei er ungeniert erklärte: niemand komme zum Papst mit leeren Händen.
    Zudem war der neue Pontifex wieder ein bewährter Militär – »aber in dieser harten Zeit ganz der richtige Mann« (Cartellieri). So galt er denn auch bald als rechtmäßig. Er nannte sich Benedikt VIII. (1012–1024) und eröffnete die Reihe der berüchtigten Tuskulanerpäpste: sein Bruder Romanus folgte als Johann XIX., beider Neffe Theophylakt als Benedikt IX. Keiner von ihnen ist Priester gewesen!
    Vorerst aber gab's ein kurzes Schisma.
    Denn die Crescentier, die im letzten Jahrzehnt Rom regiert und dabei drei Heilige Väter gestellt hatten, wählten und inthronisierten jetzt einen gewissen Gregor (VI.). Betrachtete ja jede der beiden raffgierigen Familien das

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