Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
übte Konrad, berichtet Wipo weiter, »nur durch zahlreiche Raubzüge und Brandschatzungen an den Grenzen des Reiches hinreichend Vergeltung für das ihm angetane Unrecht«. Die bewährte evangelische Haltung. Und als 1030 ein neuer Krieg ausbrach, holte sich der deutsche Herrscher nicht nur eine schwere Schlappe, obwohl er Ungarn bis zur Raab verwüstete, sondern König Stefan eroberte sogar Wien.
    Auch innenpolitisch war Stefan der Heilige, der »Stellvertreter Gottes im Lande«, sichtbar gesegnet. Als ihm zum Beispiel mehrere seiner Höflinge nach dem Leben trachteten, ließ er ihnen die Augen ausstechen, »die sündigen Hände« abschneiden und schickte noch ihre Kinder in die Verbannung. All die vielen Kriege, Fehden, Racheakte aber förderten offenbar seine Heiligsprechung 1083 durch Gregor VII., der auch gleich noch Stefans jung verstorbenen Sohn Emmerich zum Heiligen kürte, wie denn dieser Papst auch selbst einer der heiligsten Heiligen gewesen ist, was noch ausführlich belegt werden wird.
    In einem Königsspiegel, einem staatsphilosophischen Traktat, dem ersten Denkmal lateinischer Literatur Ungarns (aus dieser oder etwas späterer Zeit), mahnt der König den jungen Prinzen, »die höchste Ehre« zu Zier und Sicherung der Krone den Bischöfen beizumessen. Vergehe sich ein hoher Kleriker, solle ihn der Fürst erst drei- bis viermal privatim ermahnen und ihn nur im Falle fortgesetzter Hartnäckigkeit der Kirche melden. Ja, nach dem Stefanschen Gesetzbuch, das freilich von geistlichen Fälschungen strotzt, kann ein Weltlicher wider einen Geistlichen überhaupt nicht klagen, wohl aber soll der Laie bereit sein, für den Priester sein Leben zu opfern!
    Etwa um 1015 berief Stefan den ehemaligen Abt Gerhard zum Erzieher seines Sohnes Emmerich (Imre), der als einziger der Königssöhne das Mannesalter erreichte. Auch sich selbst ließ der König von Gerhard maßgeblich beraten und machte diesen innigen, das Land entsprechend aufklärenden Marienverehrer 1030 zum Bischof des Bistums Csanád (Szeged; heute Cenad, Rumänien). Er wurde bald ebenso heilig wie Emmerich. Und dieser, wie das einem Heiligen zusteht, befehligte die königliche Streitmacht und figuriert in den »Ermahnungen« des Vaters auch als »die Hoffnung künftiger Nachfolgerschaft«. Da er aber eine kinderlose Ehe mit einer kroatischen Prinzessin führte, machte ihn die Legende des 12. Jahrhunderts zum »keuschen Ehegatten«, was doch sehr an den keuschen hl. Heinrich erinnert (S. 67 ff.), dessen analoge Lügengeschichte möglicherweise die Emmerichs beeinflußt hat.
    Wie auch immer, hier wie dort derselbe Schwindel. Und als der Sohn 1131 bei einem Jagdunfall umkam, handelte der hl. Vater wieder ganz heilig. Denn da auf die Thronfolge, nach altem Sippenrecht, die Brudersöhne Anspruch hatten, die Nachkommen von Gézas Bruder Michael, machte Stefan seinen Vetter, der noch zum Heidentum neigte, vielleicht aber auch nach Byzanz, gründlich regierungsunfähig. Der Heilige, der sich »viele Jahre vorher mit seinem ganzen Volk zum Glauben an Christus bekehrt, viele Kirchen und Bistümer errichtet ... hatte, ein Mann von großer Milde gegen die Guten« (Hermann von Reichenau), ließ dem Bösen die Augen ausreißen und Blei in die Ohren gießen; seine drei Söhne flüchteten nach Polen und Rußland. Zum eigenen Nachfolger aber bestimmte der apostolische König, dessen so milde rechte Hand man dann »unversehrt« im Grab auffand und dessen Kult wohl schon früh begann, Peter Orseolo, den Sohn seiner Schwester und des vertriebenen Dogen von Venedig. Doch räumt auch Stefans Biograph offen ein, daß dessen Körper vierzig Jahre kein Wunder wirkte. Er wurde nur wegen seiner »heroischen Tugenden« (Deér) heiliggesprochen, auf deutsch wegen seines Nutzens für den Katholizismus. 20
    Stefans erster Befehl war die allgemeine Taufe. Er gab seinem Reich, in dem die Zahl der Unfreien infolge fortgesetzter Kriege stieg und die feudalen Verhältnisse aufs üppigste florierten, eine Verfassung, die in vielen Teilen gedanklich oder wörtlich mit den jetzt in Ungarn immer mehr zur Geltung kommenden kirchlichen Vorschriften übereinstimmte. Stefans Gesetze galten vor allem der Festigung des Christentums, der Festigung des Königtums samt seiner Gerichtsbarkeit sowie der Festigung des Privateigentums – und »was sich mit dem christlichen Glauben und den Gesetzen der Kirche nicht vereinigen ließ, bestrafte er« (Homan).
    Stefan I. gründete zwei Erzbistümer und acht

Weitere Kostenlose Bücher