Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Nachbarn. Er betrieb aber die »Bekehrung« im Land desto gründlicher. Nicht zuletzt rottete er dabei den eignen Clan fast völlig aus. Als er starb, im Frühjahr 997, war Ungarn teilweise christianisiert, auf Mittel- und Westeuropa ausgerichtet und in ganz Westungarn nur noch ein einziger Stammesfürst an der Macht, der Karchan Koppány, Führer des nationalen Heidentums. Er war Stefans Onkel und beanspruchte kraft des Seniorats und Levirats die Herrschaft und die Hand der Fürstenwitwe. Doch Stefan vernichtete noch im Todesjahr seines Vaters Koppánys Heer bei Veszprém in Westungarn (nördlich vom Plattensee) und ließ die Leiche des gefallenen Fürsten vierteilen.
Nur durch Krieg konnte der Heilige die Ungarn zu Christen machen; nur durch Gewalt konnte er die Ureinwohner, die widerspenstige alte Aristokratie, die Nachbarn blutig niederringen und dann »die Worte des Lebens predigen« (verba vite predicaret), wie es zum Abschluß der »Gesta Hungarorum«, der ältesten Darstellung ungarischer Geschichte, heißt.
Zieht man freilich über diese Einführung des Christentums ein renommiertes Sammelwerk zu Rat, das Handbuch der Europäischen Geschichte (3. Auflage 1992), so fließt, wie blutrünstig auch die Frohe Botschaft zu den Magyaren kam, kein Tropfen Blut, steht da lediglich: »Als Géza 997 starb, war nicht nur die Thronfolge gesichert, sondern das vor einem halben Jahrhundert noch als apokalyptisches Volk aus dem Abgrund verrufene Ungarntum mindestens in seiner Oberschicht christianisiert, sein Herrscher dem ottonischen Kaiserhause versippt. Auch Stephan mußte sich gegen Verwandte durchsetzen, die ihm aufgrund der bisherigen Erbgewohnheiten die Alleinherrschaft streitig machten, aber er konnte sich nicht nur behaupten, sondern die christliche Monarchie als politisch-gesellschaftliches Ordnungsprinzip voll verwirklichen.«
Nun, nicht gut, nicht alles sehr passabel? Kein Untergrundvolk mehr; die Oberschicht christlich, ihr König mit den Ottonen versippt; gegen Verwandte setzt man sich durch und hat schließlich eine christliche Monarchie als Ordnungsprinzip. Viel schöner kann's ja kaum sein. Stefan wurde vor der Schlacht bei Veszprém von bayerischen Herren zum Ritter geschlagen, sein Heer führte der Deutsche Wezelin von Wasserburg an. Vermutlich bestand auch ein erheblicher Teil der Truppen aus Deutschen, aus bayerischen »Edlen«, strömten doch schon seit einigen Jahrzehnten westliche Priester und Soldaten in Gézas Reich.
Jedenfalls läßt sich die Bedeutung dieser Schlacht im »Zeichen des Kreuzes« und mit der »siegbringenden Lanze« kaum überschätzen, konnte Herzog Stefan die »Bekehrung« seines Volkes nun weitertreiben zu einem selbständigen christlichen Staat. 19
Anno 1000 wurde der Fürst durch seinen Taufpaten Otto III. und dessen Lehrer und Freund Papst Silvester II. zum ersten König von Ungarn gemacht; betrieben beide Christenhäupter doch im engen Schulterschluß die »Mission«, die Ausdehnung des römisch-katholischen Einflußbereiches im slawischen Osten. Stefan erhielt seinerzeit eine Königskrone, wie zumindest jene Bulle Silvesters vom 27. März 1000 bekundet, die zwar »als grobe Fälschung« entlarvt worden ist, »an deren Echtheit und Glaubwürdigkeit aber bis etwa 1740 noch niemand zweifelte«: Deér. (Auch von den bekannten zehn Urkunden der Hofverwaltung des Heiligen sind fünf oder sechs gefälscht.) Echt dagegen dürfte die vom Kaiser übersandte Nachbildung der Heiligen Lanze gewesen sein, die er als ein Vorkämpfer des Christentums tragen sollte.
Schon um 1003 rang Stefans halbdeutsches Heer den »Gyula« von Siebenbürgen nieder, seinen Onkel Gy. III. (Procui), einen Gegner der romorientierten Christianisierung. Später emigrierte dieser nach Polen, wo man ihm an der ungarischen Grenze eine Burg gab, die Stefan erst 1018 nehmen konnte.
Auch sonst führte dieser Heilige einen Krieg nach dem andern. Er besiegte den aufständischen Fürsten Ajtony, er bekriegte die Petschenegen, bekriegte die Bulgaren und 1029/1030 auch die Bayern, dieses doch so gut katholische Volk, mit dem es aber »zu häufigen Streiterein« kam, wie Kaplan Wipo meldet, »und zwar durch bairische Schuld; deshalb unternahm König Stephan von Ungarn viele Angriffe und Beutezüge ins Land der Noriker, d.h. der Baiern«; natürlich wieder »der Anlaß zu einer machtvollen Heerfahrt gegen die Ungarn«, die freilich von Stefan verordnete Bittgebete und Fasten schützten, Flüsse und Waldungen. Daher
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