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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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römischen Namens und des katholischen Bekenntnisses! Beschütze allerorten die Lenker Roms, damit durch ihren Sieg Dein Volk sicheren Frieden habe! Vernichte die Feinde Deines Volkes!« Die gallikanischen Sakramentare des 7. und 8. Jahrhunderts setzen in den Gebetstexten anstelle des römischen Reiches gewöhnlich das fränkische und schließen mit dem König manchmal auch schon das Heer in die Fürbitte ein.
    Kriegsflaggen lehnten die frühen Christen selbstverständlich ab, im Abendland länger als im Orient. Doch um die Jahrtausendwende kommt es auch im Westen zu ihrem kirchlichen Gebrauch. Ja, Papst Nikolaus I. (858–867) empfiehlt in seinem ausführlichen Lehrschreiben an die Bulgaren die Führung des Kreuzes als Feldzeichen und tut so, als wäre das in der Christenheit bereits allgemein üblich.
    Im 10. Jahrhundert taucht zuerst in deutschen Pontifikalien der liturgische Segen der Kriegsfahnen auf. »Wie du Abraham gegen fünf Könige hast triumphieren lassen und dem König David zum Ruhme deines Namens den Schlachtensieg gegeben hast, so lasse dich herbei und segne und heilige auch dieses Feldzeichen, das zur Verteidigung der heiligen Kirche gegen den Feind, der vor Wut rast, getragen werden soll.« Immer, nebenbei, dieselbe Schwarzweißmalerei: da das heilige Feldzeichen, die heilige Kirche, die Verteidigung, dort der vor Wut rasende Feind.
    Natürlich wird auch die christliche Soldateska selbst benediziert. So lautet ein Segen für das Heer im 11. Jahrhundert: »ihr Mut sei unerschrocken, ihre Kampfesgier sei aufrecht, und wenn das Heer durch deinen Engel gesiegt hat, dann gebe es nicht seiner eigenen Kraft, sondern nur deinem Sohne, dem siegreichen Christus, den Dank und den Triumph, der durch die Demut seines Leidens und Sterbens am Kreuze über den Tod und den Teufel triumphiert hat.« Ja, wie gut läßt sich doch Golgatha vermarkten! Bis in die beiden letzten Weltkriege dient es den menschlichen Schlachttieren als Vorbild, wird es zum metaphysischen Kraftreservoir für das physische Krepieren. 19
    Nur konsequent, daß man bereits auch die Mordwaffen weiht (was ich oft bestreiten hörte und meist ganz generell: »Die Kirche hat nie Waffen gesegnet!«).
    Nun steht aber, wieder zuerst in deutschen Pontifikalien, bereits im späteren 10. Jahrhundert ein »Schwertsegen«, der auch in den Titeln der Handschriften so heißt. Und er gilt vor allem dem Totschlagstück selbst: »Erhöre, Herr, unsere Bitten und segne mit der Hand deiner Majestät dies Schwert, mit dem dieser Dein Knecht N. umgürtet zu werden wünscht, damit es Verteidigung und Schutz sei für die Kirchen, Witwen und Waisen, für alle Diener Gottes gegen das Wüten der Heiden, und den Gegnern Angst und Schrecken einflöße.« (Daß Witwen und Waisen hier – und sonst – nur euphemistische Versatzstücke, bloße rhetorische Figuren zwischen Kirchen und Gottesdienern sind, um die allein es den Pfaffen wirklich geht, wer möchte das bezweifeln? Oder ist's Zynismus? Denn Witwen und Waisen kamen ja gerade dank solcher Kirchenbeihilfe massenhaft zustande.)
    Die katholischen Kämpfer rüstete der Bischof selbst mit Fahne, Schwert, Lanze und Schild aus.
    Kriegspatrone wie Mauritius (vgl. V 459 f.), Sebastian, Georg werden immer beliebter. Es entsteht eine christliche »Ritterethik« und ein christliches Rittertum, in dem »die Gestalt des Kriegers ihre Apotheose« erreicht (Contamine). Vor Schlachtbeginn schluckten die Schlächter den lebendigen Leib des Herrn (um so nötiger, als ihr eigener bald tot, bald selbst geschlachtet sein konnte). Auch empfahl man sich Gott und allen Heiligen zur moralischen Aufrüstung. Und zur waffentechnischen schliff man die Schwerter an Kirchenportalen, wie noch die »Wetzmarken« norddeutscher Christentempel zeigen. 20
    Doch ging man nicht nur aus solch »religiösen« Gründen in die Kirchen, nicht nur zu einer »gottesdienstlichen« Handlung, einem Fahnensegen, einer Waffenweihe. Vielmehr trafen sich dort die Ausrückenden, wie beispielsweise im mittelalterlichen Florenz, auch zur Verlesung der Kriegskapitel, der für den Feldzug festgesetzten »Statuten und Ordnungen« mit detaillierten Bestimmungen über Marsch, Lager, Strafen etc. »Das umfangreichste Spionenwesen (später pflegten Mönche das militärische Nachrichtenbureau zu leiten) diente der Vorbereitung des Kampfes und begleitete ihn« (Davidsohn).
    Spätestens im 10. Jahrhundert zogen Bischöfe oder Priester den tötenden Haufen mit Kreuzen, Fahnen,

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