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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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erforderlich, und Papst Johann IX. hat dies 898 ausdrücklich gebilligt.
    Das berühmte Dekret des zweiten Nikolaus nun, offensichtlich von Hildebrand inspiriert, beschränkte das Wahlrecht, im bewußten Gegensatz zu den Designationen, faktisch Ernennungen Kaiser Heinrichs III. (1046), auf die Kardinalbischöfe, die jetzt den Ausschlag bei der Erhebung eines Papstes gaben und schließlich den Rang geborener Fürsten beanspruchten und bekommen sollten!
    Damit war, wie so oft in der Kirchengeschichte, die ursprüngliche Situation genau verkehrt. Denn während in der alten Kirche Volk und Klerus die Bischöfe wählten, diese selbst aber nur die Zulässigkeit der Wahl bestätigen konnten, bekamen nun die Kardinäle, genauer Kardinalbischöfe, allein das Wahlrecht übertragen, das Volk und der übrige Klerus jedoch hatten keine Mitsprache mehr. Und wie die Gemeinde ins Abseits, besser ins Aus geriet, so auch der Kaiser, der nach einer offenbar absichtlich vagen, verschieden deutbaren, von jeder Partei in ihrem Sinne auslegbaren Klausel die Wahl durch die Kardinäle nur bestätigen, nur anerkennen durfte; der sozusagen bloß eine Art Konsens- oder Ehrenrecht bekam – »unbeschadet«, wie es mehr schlecht als recht heißt, »der schuldigen und schon zugesagten Ehrfurcht gegen unseren geliebten Sohn Heinrich, den gegenwärtigen König, und so Gott will, künftigen Kaiser, wie gegen seine Nachfolger, die vom Päpstlichen Stuhl dieses Recht persönlich würden erhalten haben.« Das Dekret mündet aus in fürchterliche Strafandrohungen des Himmels und der Erde gegen seine Verletzer.
    Die Erbitterung in Deutschland war groß. Kaiser Heinrich III. hatte auf dem Recht der Papsternennung bestanden; kein Wort war jetzt davon zu lesen. Und noch nie zuvor wurde ein römischer Bischof derart gewählt wie dieser, der auf der damaligen Kirchenversammlung – die zum erstenmal ein Verbot der Laieninvestitur erließ, das heißt Priestern untersagte, Kirchen von Laien zu erwerben – mit einer Doppelkrone erschien, auf deren unterem Reif »Königskrone von Gottes Gnaden« stand, auf deren oberem »Kaiserkrone von Peters Hand«. Damit stellte sich der Papst dem Kaiser gleich, wenn auch die Herkunft dieser Kopfbedeckung unsicher ist, die Tiara, wie die papale Macht, eine lange Entwicklung durchlief und ihre Endgestalt erst im 14. Jahrhundert unter Clemens VI. erreichte: drei Kronen und alle drei in gleichem Abstand zueinander – schon fast faschingsprinzenhaft.
    Das Wahldekret war eine Neuerung und sollte vor allem der gerade erfolgten Erhebung des Papstes augenblicklich den Schein der Legalität verleihen. Später wurde es nicht mehr beachtet, ja als widerrechtlich gebrandmarkt. »Keiner der folgenden ›Reformpäpste‹ wurde nach dieser Bestimmung gewählt« (Schwaiger). Doch die illegale Wahl des Nikolaus bekam so den Anschein des Rechts.
    Als nicht lang nach der Synode Kardinal Stephan, ein Vertrauter Hildebrands, an den deutschen Hof reiste, ließ man ihn dort fünf Tage warten und schickte ihn dann, ohne daß er Heinrich IV. auch nur gesehen, zurück. Versiegelt brachte er das päpstliche Schreiben wieder nach Rom. Eine schwere Brüskierung, die allerdings noch weit mehr mit einer radikalen Änderung der kurialen Strategie zusammenhing. 18
    Für Nikolaus II., der ja zunächst auch den vom Adel geschätzten Benedikt X. noch gegen sich hatte, war eine Hilfe von jenseits der Alpen immer unsicherer geworden und zumal durch den unmündigen Heinrich IV. kein Beistand zu erwarten. Somit sah sich der Heilige Stuhl nach neuen Mitstreitern im allgemeinen Fressen und Gefressenwerden um. Und da die Opportunität gewöhnlich das Verhalten des Menschen im allgemeinen, das der Pfaffen aber im besonderen bestimmt, da das Prinzip der Nützlichkeit (fructus, utilitas) gerade für sie faktisch über alles geht, begann jetzt ein bedeutsamer Wandel, ein völliger Umschwung der römischen Politik.

Nikolaus II. kollaboriert mit den Normannen

    Seit 1016 waren die Normannen in Unteritalien eingeströmt, ohne Verbot der deutschen Regenten. Im Gegenteil, Konrad II. und Heinrich III. belehnten sie mit Aversa und Apulien. Die Kirche dagegen hat sie bald bekämpft, verflucht und mit allen Mitteln zu vernichten gesucht. Sie wurden Agareni genannt, den arabischen Räubern gleichgestellt, den Feinden Gottes, die Italien jahrhundertelang verheerten. Denn wie diese respektierten auch die Normannen weder Kirchen-noch Klosterbesitz noch den des Papstes. Sie beraubten

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