Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
verwechseln. Für die Zukunft kam auch noch eine besondere Verpflichtung zur Hilfe bei der Papstwahl hinzu. Und der Normanneneid, zeigt er nicht eklatant, worum es da ging? Um Reform? Um Landgewinn doch. Militärische Macht. Um das »Fürstentum des heiligen Petrus«.
Und soviel der Normanne auch gewann, der Papst, der sich bei diesem grandiosen Geschäft offenbar auf die »Konstantinische Schenkung« berief, gewann mehr. Hatte ihn Hildebrands Coup doch mit einem Schlag zum Herrn der größeren Hälfte Italiens gemacht; nicht nur zum Herrn neuer und überaus potenter normannischer Fürsten, sondern auch wieder zum Herrn der unteritalienischen und sizilianischen Bischöfe. 19
Das gewaltige Manöver zahlt sich auch gleich aus. Denn noch in diesem Jahr, dem Jahr der folgenschweren Wende, im Sommer 1059, führen Nikolaus II. und Hildebrand abermals einen »Kreuzzug« gegen Benedikt X. Man »säubert« das Gebiet um Rom, stürmt die Kastelle des römischen Adels. Nikolaus selbst belagert seinen Gegner Benedikt in der Feste Galeria, man brennt nieder, plündert, und nach der Unterwerfung seines Beschützers, des von mehreren Päpsten mit fürchterlichen Flüchen gebannten Grafen Gerard, unterwarf sich der Gegenpapst ebenfalls und trat zurück. Von den Mauern der Burg herab, vor welcher Nikolaus mit seinen Kriegern lag, soll Benedikt die Römer gescholten, ihnen vorgeworfen haben, sie hätten ihn gegen seinen Willen zum Papst gemacht. Und da ihm sein Bistum Velletri verwehrt war, zog er sich nach Rom in ein Haus seiner Mutter bei S. Maria Maggiore zurück, doch erst nachdem ihm dreißig adlige Römer eidlich Sicherheit für seine Person und Habe und gegen üblen Trug geleistet.
Es nützte gleichwohl nichts. Der Trug folgte alsbald in Gestalt Hildebrands. Denn schon einen Monat später schickte der Kardinal Soldaten und brachte Benedikt hinter Schloß und Riegel. Hildebrand wurde seinerzeit zum Rang des Archidiakons der römischen Kirche befördert und erhielt zur Befriedigung seiner Bedürfnisse, zur »Ausstattung« seiner Stellung, die reiche Abtei des hl. Paulus vor Roms Mauern zugewiesen.
Dem entrechteten Gegenpapst aber machte man den Prozeß. Auf der Ostersynode 1060 mußte er alle erdenklichen Delikte gestehen und wurde mit beachtlichem Theater noch einmal in aller Form abgesetzt. Es half auch nichts, daß er beteuerte, man habe ihm das hohe Amt aufgezwungen. Vor dem siegreichen Konkurrenten riß man ihm Stück für Stück die päpstlichen Gewänder ab. Dann ließ man ihn zu Füßen des Nikolaus in entwürdigender Haltung ein schriftlich vorbereitetes Schuldbekenntnis verlesen, eine verlogene Liste, derart mit gräßlichen Sünden und Verbrechen gespickt, daß er sich erst nach Sträuben und unter Tränen dazu verstand, während seine Mutter, umringt von klagenden Verwandten, sich die Haare raufte, das Gesicht zerfleischte, und Hildebrand höhnte: »Höret, Ihr Bürger von Rom, die Thaten Eueres Papstes, den Ihr erkoren habt.« Die Synode verbannte ihn auf Lebenszeit in das Kloster St. Agnese bei Rom, wo man ihn grausam schikanierte, bis er starb. Nach 1072 aber ließ ihn Gregor VII., eben jener Hildebrand, der ihn gefangengesetzt, mit päpstlichen Ehren bestatten!
Freilich wurde schon bald auch Nikolaus II. entthront, exkommuniziert und alle seine Maßnahmen für nichtig erklärt. Doch bevor man ihn tatsächlich entfernen konnte, starb er plötzlich am 19. Juli 1061 in seiner Bischofsstadt Florenz. Man sagte ihm wenig Gutes nach, ja die Gegner warfen ihm Unwissenheit vor, Leichtsinn, ein wüstes Leben. 20
Und dann ergab sich eine neue Kirchenspaltung.
Der hl. Anno und sein Staatsstreich von Kaiserswerth
Nach dem Tod Heinrichs III. regierte zunächst seine Witwe, die Kaiserin Agnes, für den noch unmündigen, doch schon gekrönten Heinrich IV. Einerseits setzte sie die zuletzt gegen die Hocharistokratie gerichteten Zentralisierungsmaßnahmen des verstorbenen Monarchen fort, andererseits wollte sie führende Fürsten durch die Vergabe von Herzogtümern an die Zentralmacht binden; beides mißlang. Denn wie gewöhnlich in Übergangsphasen und unter schwachen Regierungen schlugen weltliche wie geistliche Kreise Kapital daraus, versuchten es wenigstens, und Agnes geriet ins Schlepptau ihrer Ratgeber. Dazu gehörte, nach Lampert von Hersfeld, besonders der Bischof Heinrich von Augsburg, mit dem die Witwe sehr eng kooperierte. »Deshalb konnte sie«, meldet der königsfeindliche Mönch, »dem Verdacht unzüchtiger
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