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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Monte Cassino, sie okkupierten Benevent. Sie waren immer mächtiger, waren seit Leos IX. Debakel, der sie hatte vertreiben, hatte ausrotten wollen, zu Herren weiterer Städte und Gebiete geworden, hatten Capua, Troja erobert, Apulien und Kalabrien zum größten Teil besetzt. Vernichten konnte Nikolaus die Normannen nicht. Dazu waren sie zu stark, andererseits die bisherigen Verbündeten des Papsttums wider die Normannen, das deutsche, das griechische Herrscherhaus, gegenwärtig nicht stark genug.
    Gewiß, Richard von Aversa und Robert Guiscard, die Sieger von Civitate, waren kaum viel mehr als heraufgekommene Viehdiebe, Buschklepper, Strauchritter, Bandenchefs. Aber entsprach das nicht der Genesis der ganzen Edelart? Klaute, raubte, tötete sich so nicht fast alles hoch, was schon aufgestiegen war oder noch aufsteigen sollte? Jedenfalls hatten die Normannen die besten Truppen. Und passend gesellte sich zu ihrer wilden Draufgängerei eine durchaus devote Kirchlichkeit samt der Pflicht zu jährlichem Tribut für allen Landbesitz des hl. Petrus auf Ostern an die Päpste oder deren Boten zahlbar. Also stellte sie die römische Kirche, in deren Bannstrahl sie noch standen, jetzt in ihren Dienst, sagte der Papst sich gleichsam vom deutschen Kaisertum los und ging – eine weltgeschichtliche Entscheidung – am Leitseil des Hildebrand, der die Zukunft im Visier hatte, die kommenden Dynasten witterte und Roms großen Sieg, einfach zu diesen anrüchigen Nachbarn über.
    Nikolaus II. machte im August 1059 auf einer Synode zu Melfi, der Hauptstadt des normannischen Apulien, die vordem verfluchten Invasoren zu seinen Vasallen, seinen neuen Kriegern. Der Papst belehnte jetzt – die Rechte der Beraubten (der beraubten früheren Räuber!) souverän mißachtend – die neuen Räuber, die Nachkommen des Tankred Hauteville, der kleinen Adelsfamilie aus dem Cotentin in der Normandie u.a., mit ihren italienischen Eroberungen. Er belehnte Richard von Aversa mit dem Fürstentum Capua; und Robert Guiscard, den apulischen Grafen und Nachfolger seines Bruders Humfred (gest. 1057), dessen Söhne er brutal verdrängte, belehnte Nikolaus, der Guiscard zuvor auch noch als Räuber von Kirchengut gebannt, mit Gebieten, die nicht ihm, dem Papst, sondern dem griechischen, dem deutschen Herrscher unterstanden, mit den Herzogtümern Apulien, Kalabrien und dem schon seit wenigstens zwei Jahrhunderten in muslimischer Hand befindlichen Sizilien, das erst noch erobert werden mußte – mit Hilfe Gottes und des hl. Petrus, wie es hieß.
    Nun war das Papsttum, so gierig es stets auf Land aus, so unersättlich es hinter Territorien her war, im Verschenken von Gebieten, die ihm nicht gehörten, zumal von solchen völlig außerhalb seiner Reichweite, stets generös. Das wohl berühmteste Beispiel: Alexander VI. Dieser so kinderreiche und -liebe, so vital zum Inzest inklinierende Zölibatär und Familienvater erkannte einst im Wonnemonat Mai, in seiner Bulle »Inter coetera« von 1493, die ganze Neue Welt (»omnes insulas et terras firmas inventas et inveniendas, detectas et detegendas ...«) kurzerhand den katholischen Hispaniern zu.
    In Melfi freilich überließ Rom den Normannen, mit Ausnahme Benevents, sogar sämtliche von ihnen geraubten päpstlichen Besitzungen. Dabei waren diese Zuteilungen durch Nikolaus II. selbst nach den katholischen Kirchenhistorikern Seppelt/Schwaiger »gegen alles Reichsrecht«. Denn nichts von all dem, was der Papst und Hildebrand hier mit vollen Händen verschenkten, weder Capua noch Apulien, Kalabrien, Sizilien, war römischer Besitz – kein Wunder, wenn man seinerzeit ihren Legaten am deutschen Hof abblitzen ließ (S. 210).
    Die beiden Normannenfürsten aber hatten viel eingeheimst; sie waren überdies durch den Papst legitimiert, sie bekamen einen »Rechtstitel«, der sie auswies vor Untertanen, Nebenbuhlern, Neidern. So schworen sie jetzt Nikolaus II.: »Ich werde der heiligen römischen Kirche und dir nach Kräften gegen alle Menschen Beistand leisten, die Regalia und Besitzungen des heiligen Petrus zu behalten und zu erwerben, und ich werde dich unterstützen, das Papsttum sicher und ehrenvoll zu behalten.«
    Beide versprachen ihm und jedem rechtmäßig gewählten Papst somit Militärhilfe, Heeresdienst wie die Vasallen eines Fürsten; wobei man natürlich jeder größeren Totschlägerei einen gewissen »Kreuzzugscharakter« geben mußte, um sie nicht mit den gewöhnlichen Schlächtereien weltlicher Machthaber zu

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