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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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X., Nikolaus II. und das neue Papstwahldekret

    In Rom griffen jetzt die Adelskreise nach der Macht, vor allem die Tuskulaner, diesmal sogar im Bund mit den Crescentiern: zwei Häuser, die wieder mal zum Zug kommen und ihre verlorenen Positionen in Stadt und Kirche zurückgewinnen wollten. Sie besetzten nachts Rom und machten, unterstützt von allen reformfeindlichen Kräften, auch vom simonistischen, auch vom verehelichten Klerus, am 5. April den Kardinalbischof Johann von Velletri, einen Neffen Benedikts IX., unter dem Namen Benedikt X. (1058–1059) zum Papst; natürlich wieder ganz ohne Wissen und Willen der deutschen Regierung, aber nicht ohne Bestechung des Volkes. Man plünderte Paläste, Kirchen, klaute noch die goldenen und silbernen Kelche St. Peters. In allen Winkeln und Gassen kam angeblich Geld unter die Leute, während die meisten reformerisch gesinnten Kardinäle Rom mit den furchtbarsten Verfluchungen verließen.
    Benedikt X., irregulär und ungültig geweiht, begann alsbald zu amtieren, erließ (noch erhaltene) Bullen nach Deutschland, nach England und gilt auch als regulärer Papst. Doch stellten ihm die aus Rom geflohenen Reformer, unter dem maßgeblichen Einfluß Hildebrands, im Dezember in Siena dessen Kandidaten, den ebenfalls regulären Nikolaus II. (1058–1061), entgegen. Er hieß Gerhard, war bisher Bischof von Florenz, wo der letzte Papst verblich, und ein unbedingt gefügiger, leicht lenkbarer, kurz Hildebrands Mann. In Lothringen oder im französischen Burgund geboren, entstammte er einer unehelichen oder gar ehebrecherischen Verbindung und verdankte als ein Vertrauter des Herzogs Gottfried diesem offenbar nicht zuletzt seine Ernennung. Mit Heeresmacht rückten beide auf Rom vor und ließen noch in Sutri, auf einer Synode im Januar 1059, im Beisein des Reichskanzlers Wibert, Papst Benedikt X. exkommunizieren und verfluchen. 17
    Inzwischen hatte Hildebrand in Rom die Rebellion gegen Benedikt geschürt, der zunächst monatelang ganz unangefochten gewirkt. Doch machte ihm Hildebrand einen Teil seines Anhangs abspenstig, wobei er es nicht an Bestechung fehlen ließ. Leo, der Sohn des getauften Juden Baruch-Benedikt, verteilte für Hildebrand Geld. Und just dort, wo Leo wohnte, jenseits des Tiber, begann auch, noch ehe sich Gottfrieds Heer, fünfhundert Reiter, genähert, die Erhebung gegen Benedikt X. Mehrere Tage dauerten die Straßenkämpfe, und während Gottfrieds Truppen schließlich den Lateran erstürmten, floh Benedikt über Passarano, ein Kastell der Crescentier, auf eine Burg des Grafen von Galeria, wahrscheinlich wieder ein Tuskulaner oder doch mit ihnen verwandt, sein besonderer Schutzherr.
    Hildebrand aber eilte nach Kampanien und verhandelte im Namen des Papstes mit den Normannen. Vertraglich erkannte er Richard als Fürst von Capua an, und dieser leistete einen Treueid auf die römische Kirche, auf Nikolaus II. und schickte ihm auch sofort mit Hildebrand drei Grafen nebst dreihundert Reitern gegen Roms Adel. Zusammen mit den päpstlichen Truppen stürmten sie die Burgen in der Umgebung, plünderten und verbrannten sie, wobei viele auf beiden Seiten umkamen.
    Nach der Flucht des Rivalen war der ganz von Hildebrand abhängige Nikolaus II. bereits am 24. Januar 1059, umjubelt vom gekauften Volk, in Rom eingezogen. Da er aber irregulär, entgegen der Tradition, Papst geworden – außerhalb Roms, ohne Klerus und Volk der Stadt, durch einen noch nicht bevorrechtigten Personenkreis –, versammelte er, um seine Stellung zu festigen, auf seinem ersten Konzil, der Lateransynode vom 13. April, 113 fast lauter italienische Prälaten und erließ gleich ein neues Papstwahldekret. Benedikts Wahl war demnach unrechtmäßig, die eigene, ja gleichfalls unrechtmäßige, war rechtmäßig.
    Der Bischof von Rom wurde ursprünglich, wie alle anderen Bischöfe, von Klerus und Laien gewählt, wobei das zunächst wirkliche Stimmrecht des Volkes allmählich durch bloße Akklamation praktisch beseitigt worden ist.
    Bereits seit dem 4. Jahrhundert beeinflußten christliche Kaiser und germanische Fürsten die Besetzung der Prälatenstühle. Seit dem 5. Jahrhundert bestimmte zeitweise die römische Stadtaristokratie stark die lokale Bischofswahl. Anno 824 forderte Lothars I. Constitutio Romana (V 66) von jedem »electus«, jedem zu weihenden Papst, in Gegenwart des kaiserlichen Gesandten erst einen Treueid auf den Kaiser; das heißt, es war wieder die Bestätigung der Papstwahl durch den Herrscher

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