Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
deutschen Päpste
Nach Leos Tod am 19. April 1054 erbat eine römische Delegation unter Führung des Subdiakons Hildebrand einen neuen Papst. Es gab langwierige Debatten, dann entschied sich der Monarch im November 1054 in Mainz für seinen Reichskanzler Gebhard von Eichstätt, den Grafen von Dollenstein-Hirschberg. Der Bischof, der fast ein halbes Jahr gezögert hatte, ehe er die Nominierung annahm, war wieder ein Verwandter des Königshauses und der letzte der vier von Heinrich ernannten deutschen Päpste, ein Mann von großem Einfluß auf den Regenten, von dem er beispielsweise die Verweigerung militärischer Hilfe für Leos Normannenkrieg 1053 erreichte. Obwohl vor allem ein ausgepichter Politiker, den Heinrich alsbald zum Herzog von Spoleto und Grafen von Fermo bestellte, führte Viktor II. (1055–1057) die Reformpolitik fort. Er schärfte das Verbot der Priesterehe, des Ämterkaufs ein und feuerte allein in der Provinz Lyon sechs Bischöfe wegen Simonie. Er bemühte sich indes mit kaiserlicher Hilfe auch um Vergrößerung des Kirchenstaates, setzte »Rekuperationen« aber auch aus eigener Machtvollkommenheit durch.
Gemeinsam mit dem Herrscher bekämpfte er dessen alten Widersacher Gottfried den Bärtigen von Lothringen, der inzwischen Beatrix, die Witwe des 1052 ermordeten (S. 193) Markgrafen Bonifaz von Toskana, geheiratet hatte. Man vertrieb Gottfried, nahm seine Frau gefangen. Doch kaum war der Kaiser im Herbst 1056, als große Volksteile eine Hungersnot heimsuchte, zu Bodfeld verstorben, versöhnte sich Viktor mit Gottfried, der Niederlothringen und die Toskana zurückbekam und nun, als Mächtigster des Reiches, den Papst schützen und stützen sollte. Viktor aber verschied bereits am 28. Juli 1057 zu Arezzo an einem Fieberanfall, nachdem er, seinerseits von dem sterbenden Kaiser mit der Sorge für den fünfjährigen Sohn Heinrich betraut, noch dessen Thronfolge in Aachen mit beträchtlichem Geschick gesichert hatte, ebenso die Berufung seiner Mutter Agnes als Reichsregentin. 15
Die Kaiserinwitwe übernahm für Heinrich (IV.) die Vormundschaft, stand jedoch als Regentin ganz unter dem Einfluß klerikaler Berater, besonders des Augsburger Bischofs Heinrich. Und allmählich ging der deutsche Episkopat gegenüber der unpolitischen Frau in Opposition, und der römische Klerus nutzte die Situation für sich.
Nachfolger Viktors wurde Friedrich von Lothringen, der sich Stephan IX. nannte (1057–1058) und seinem Vorgänger viel verdankte; hatte dieser ihn ja erst kürzlich zum Kardinalpriester und zum Abt von Monte Cassino gemacht (nachdem man den amtierenden Abt zum Rücktritt gezwungen). Noch mehr freilich schuldete Friedrich, der jüngste Sohn Herzog Gozelos I. von Lothringen, sein Papsttum der außerordentlichen Machtstellung seines Bruders, Herzog Gottfrieds des Bärtigen von Lothringen, Markgraf von Toskana, nach Heinrichs III. Tod tatsächlich der Mächtigste im Reich (gleichwohl geistlich gegängelt auch er, wähnte er doch, eine schlimme Sündenschuld büßen zu müssen).
Stephan also, ohne Konsultation des deutschen Hofes, wenn auch mit nachgeholter Einwilligung der verstimmten Reichsregentin Papst geworden, fühlte sich seinem herzoglichen Bruder sehr verpflichtet und trat ihm sogleich die Verwaltung des Herzogtums Spoleto und der Mark Ancona ab. Ja, er ging anscheinend mit dem Gedanken um, die deutsche Zentralmacht in Italien auszuschalten, Gottfried zum Kaiser zu krönen und den Kirchenstaat zu vergrößern, wozu ihm, nach einem Gerücht, das Geld seines ehemaligen Klosters dienen sollte. Angeblich ließ er sich dessen gesamten Gold- und Silberschatz bringen, um ihn politisch-militärisch umzusetzen in einen Krieg im Frühjahr 1058 gegen die Normannen. Sie verabscheute er, der einst bei Civitate besiegt an Leos IX. Seite stand und nun echt apostolisch und mit brüderlicher Hilfe das »Patrimonium Sancti Petri« nach Süden erweitern wollte. Doch noch ehe er den bereits vorbereiteten Feldzug führen konnte, ging Stephan IX., schon länger fiebernd, nach einem Pontifikat von kaum acht Monaten – als letzter von fünf seit Clemens II. regierenden deutschen Päpsten –, am 29. März in Florenz, im Hause seines Bruders, des Herzogs Gottfried, wie Lampert von Hersfeld hofft, »aus diesem Tal der Tränen hinüber zu den Wonnen der Engel«; man munkelte: durch Gift. Und schon bald mirakelte es auch an seinem Grab im Dom zu Florenz, wovon sich die Kunde bis über die Alpen verbreitete. 16
Benedikt
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