Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
störenden, belastenden, peinlichen Begebnisse unterdrückt, dafür die Legenden desto mehr gepflegt. Nach wiederholtem Insistieren des Abts Gerhard von Siegburg wird er 1183 durch Papst Lucius III., den Einführer der Inquisition (S. 541 f.), heiliggesprochen. War er ja, »wie keiner vor ihm, Mehrer der Gerechtsame und des Besitzes der Kölner Kirche gewesen« (Steinbach), wobei aber noch seine »bischöfliche Klosterpolitik« letztlich bloß dazu diente, »die eigene Gewalt zu stärken und die weltliche Herrschaft auszubauen« (Erkens). Denn wie ungezählte Prälaten frönte er nicht nur einem skrupellosen Nepotismus, sondern eben auch einer nicht minder skrupellosen Erwerbspolitik (allein 1065 gewann er drei Klöster) im Interesse seines Bistums wie seiner Familie, betrieb er eine generöse Vergeudung von Reichsrechten und -gütern an geistliche und weltliche Große.
Dies aber vermochte er nicht zuletzt dank seines Staatsstreiches von Kaiserswerth.
Der Kölner Metropolit, neben Adalbert von Bremen der führende Bischof des Reiches, hatte die Kaiserin zu Ostern, Anfang April 1062, auf die Rheininsel Kaiserswerth gebeten und dann heimtückisch den elfjährigen Heinrich IV. zur Besichtigung eines Schiffes überredet, um ihn zu entführen. Zwar stürzte sich der junge König, als er die Absicht des Erzbischofs erkannte, kopfüber in die heftige Strömung und wäre ertrunken, hätte ihn nicht einer der Spießgesellen, Graf Ekbert von Braunschweig, unter eigener Lebensgefahr mit knapper Not gerettet. Die Entführung nach Köln aber, einschließlich der Reichsinsignien, des Kreuzes, der hl. Lanze etc., gelang, und Kardinal Hildebrand gratulierte stürmisch dem bischöflichen Kidnapper; wie ja auch Kardinal und Kirchenlehrer Petrus Damiani nur Lob dafür hatte, während die Kaiserin, ohne jeden Versuch einer Bestrafung, sich die Macht rauben ließ, den Schleier nahm und später in ein italienisches Kloster ging.
Nach seiner Schwertleite, seinem Mündigwerden, hätte Heinrich IV. den schurkischen Seelenhirten am liebsten »mit Feuer und Schwert« gejagt; und nie verzieh er dessen hinterhältiges Verhalten, zeitlebens hinterließ es ein tiefes Mißtrauen in ihm. Vorerst freilich war Anno der eigentliche Herr im Reich; »gewiß kein unwürdiger Bischof«, schreibt Albert Hauck, doch, so auf derselben Seite: stolz, herrisch, prachtliebend, Freunde, Verwandte in unbedenklichster Weise begünstigend, nicht ohne Rechtsverletzungen auch und unversöhnlichen Haß, ja: sein Leben »ist verfehlt gewesen« – dennoch: unwürdig nicht, einer unserer »großen Männer«. (Vergessen selbst hervorragende Historiker so ihren Verstand, denn Hauck meint das ernst, kann die Geschichtsschreibung des Gros' der Zunft kaum noch befremden; wenngleich Historiographie – leider ein fast utopisches Postulat – noch mehr als Verstandes-Charaktersache sein sollte, Bekundung intellektueller Lauterkeit und nicht pseudoszientifische Arschkriecherei.) 26
Der hl. Anno aber, der durch den Staatsstreich von Kaiserswerth faktisch die Leitung des Reiches übernommen hatte, arrangierte sich – eine weitere empfindliche Machteinbuße für die Salier – mit den Kardinälen in Rom.
Das Ende des Cadalus-Schismas
Dort kam es nach all den blutigen Zusammenstößen der Krieger zweier Heiliger Väter zu einem Waffenstillstand. Herzog Gottfried konnte die Päpste bewegen, die Stadt zu räumen. Alexander kehrte nach Lucca, Cadalus, dem das Geld ausgegangen zu sein scheint, nach Parma zurück, um die Entscheidung des deutschen Hofes abzuwarten, an dem beide weiter operierten. Petrus Damiani aber beschimpfte Cadalus erneut, apostrophierte ihn wieder als »Lügenbischof«, als »gleichsam ein die Flammen der Hölle ausspeiender Vesuv« und häufte die gräßlichsten Verfluchungen recht christlich auf sein Haupt: »O daß Du nicht geboren wärest oder alsbald stürbest ...« (Hier, bei den hl. Kirchenvätern, bei den Christen vom Neuen Testament an (I 143 ff!), kann man lernen – und man studiere dies! –, was Haß ist. Nirgends gibt es schlimmeren. Nirgends ist er so gehäuft. Und nirgends so verheuchelt!) Doch erklärte sogar der Bischof, der Alexander II., angeblich der Gewalt folgend, inthronisiert hatte, dieser habe sich des apostolischen Stuhles durch Bestechung der Normannen wie ein eingestiegener Dieb und Räuber bemächtigt ...
Unter Annos Einfluß wandte sich der deutsche Episkopat nun Alexander zu, ein weiteres Schurkenstück des Heiligen. Denn
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