Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Sizilien und Spanien
Anno 1064 nahm der Papst den Normannen Wilhelm von Montreuil, den Schwiegersohn des Richard von Capua, als Vasall in Dienst. Er hatte anscheinend den ganzen Süden des Kirchenstaates zu verteidigen, wobei er das vexillum sancti Petri führte, die seinerzeit auftauchende Petersfahne. Am Gebrauch dieses Symbols, dem die Päpste, je nach Bedarf, bald eine mehr religiöse, mehr rechtliche oder politische Bedeutung beimaßen, war vielsagender Weise Hildebrand von Anfang an maßgeblich beteiligt, wenn vielleicht auch nicht geradezu sein Schöpfer. Es gab jedenfalls den päpstlichen Kriegen fortan eine besondere Weihe, gleichsam einen Kreuzzugscharakter. 28
Der Angriff auf Sizilien, 1060/1061 begonnen, entsprang der Expansionssucht der Normannen und des Papsttums, wurde aber religiös verbrämt. Es gehe, rief Robert Guiscard seinen Rittern zu, um Befreiung der Christen aus sarazenischer Knechtschaft. Er wolle sie aus ihrem Joch erlösen und die Gott zugefügte Beleidigung rächen.
Nach Amatus von Monte Cassino, den um 1010 in Salerno geborenen Geschichtsschreiber der Normannen (zeitweilig Bischof von Capaccio-Paestum), waren diese vor allem wegen des Sizilienkrieges nach Italien gekommen. Und die normannischen Chronisten stellen den Krieg von vornherein als Kreuzzug dar, wurde er doch auch als eine Art Kreuzzug geführt, mehr als jeder frühere Heidenkrieg. »Wir hören zu wiederholten Malen, daß die Krieger vor der Schlacht beichteten und kommunizierten, daß die Ansprachen der Führer sich weitgehend in religiösen Gedankengängen hielten, daß die Beute nach dem Siege der Kirche dargebracht oder daß an den eroberten Orten sogleich Kirchen gebaut oder feierliche Messen abgehalten wurden« (Erdmann).
Bei der Schlacht von Cerami (1063) erschien erstmals St. Georg, der spätere Patron der Kreuzfahrer, auf einem weißen Pferd, eine weiße Fahne mit dem Kreuz in der Hand. Und nach der Schlacht schickte Roger I. von Sizilien, ein Sohn Tankreds von Hauteville, einen Teil der Beute, darunter vier Kamele, an Alexander II. Der Papst spendete seiner Soldateska darauf die Absolution, sandte ihr eine geweihte Fahne und ermunterte sie, im Vertrauen auf den hl. Petrus die Sarazenen desto sicherer niederzukämpfen.
Der Sizilienkrieg wurde fraglos für die Kurie geführt, ja geradezu nach deren Anweisung. Dabei haben die Normannen, die mitunter einander selber blutig befehdeten, durch Robert Guiscard sowie seinen Bruder und Vasallen Roger Sizilien fast vollständig erobert und so den Papst als ihren Lehnsherrn zum »Obereigentümer des Landes« gemacht (Haller). 1061 fiel Messina, worauf Robert erklärte, von hier aus alle Heiden zu vertreiben. 1072 nahm er auch Palermo. Die Zahl der getöteten Sarazenen und der in die Sklaverei Verkauften überstieg nach Amatus jede Fassungskraft. Und als man nach »gänzlicher Säuberung« der Kathedrale von allen islamischen Entfremdungen eine festliche Messe feierte, glaubte man überirdischen Glanz und Engelschöre wahrzunehmen. 1091 fiel Noto. Doch zuvor war Robert Guiscard bei der Realisierung seines letzten Zieles, eines Krieges gegen das doch ganz christliche Byzanz, 1085 selbst gefallen.
Roger, Großgraf von Sizilien und Graf von Kalabrien, der bei der Befreiung der Insel von den Muslimen sogar muslimische Hilfstruppen und einen muslimischen Heerführer hatte – wie neun Jahrhunderte später Faschist Franco seinen christlichen Kreuzzug u.a. mit mohammedanischen Mauren führte (die ihre Opfer kastrierten) –, Roger förderte Klerus und Klöster auf Sizilien, vergab Bistümer an ihm nahestehende Prälaten und errichtete »ein Netz kirchlicher Bollwerke an den Grenzen« (Tramontana). 29
Krieg und Kirche, das hing unlöslich zusammen. Man profitierte dabei, man gewann Land, gewann Hörige, gewann Kamele, solche und solche. Bei den Kämpfen um Palermo schleppten die Pisaner ihre Beute auf sechs großen, im Hafen geraubten Schiffen davon und begannen damit den Bau ihres Domes zu Ehren der heiligen Jungfrau. 30
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch der Spanienkreuzzug von 1064, die Einnahme von Barbastro.
Auf der Pyrenäenhalbinsel hatte sich seit 714 ein muslimisches Spanien gebildet (IV 303 f.). Die nordafrikanischen Mauren, von Teilen der christlichen Westgoten bei Thronstreitigkeiten gerufen und in der Entscheidungsschlacht unterstützt, hatten seit ihrer Landung 710/711 in Kürze fast ganz Spanien erobert, zunächst ein von Damaskus abhängiges Emirat
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