Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
kaiserliche Burgbesatzung bei ihrem Abzug größtenteils meuchelten, obwohl sie ihr freien Abzug geschworen.
Dennoch verhandelte man weiter, wobei der Kaiser zu Kreuz kroch, seine Versündigung gegen die Kirche bekannte, dafür nicht nur Buße, Fasten, Almosen, sondern dem Papst auch Soldaten versprach, Räumung des Kirchenstaates, Rückgabe von eroberten Orten, von Gefangenen u.a. »Den ganzen Gewinn von fünf Kriegsjahren gab er preis und bezahlte den Rückzug in die Ausgangsstellung noch dazu mit bedingungsloser Unterwerfung unter die geistliche Strafgewalt der Kirche« (Haller).
Gewiß hatte Friedrich, der für all seine Verzichte faktisch so gut wie nichts bekam, seine Hintergedanken. Doch auch Innozenz, geschmeidig und eiskalt wie kaum einer, hatte sie, und er war gefährlicher. Denn er ging aufs Ganze; er wollte seinen Widerpart um jeden Preis verderben, wollte ihn vernichten, auch physisch und persönlich, total.
So unterblieb eine vom Kaiser angeregte Zusammenkunft. Führte der Papst doch bloß noch Scheinverhandlungen, ein inszeniertes ergebnisloses Hin und Her. Er empfing Friedrichs Boten, schickte seinerseits Gesandte, Kaiser Balduin, den Grafen Raimund, er sorgte für Verzögerungen und bestellte durch einen Vetter bereits Galeeren aus Genua für seine Flucht. Um nämlich jeder direkten Bedrohung, einer Einschließung etwa wie zu Gregors Zeiten zu entrinnen und um einer sicheren Operationsbasis willen, eilte er im Sommer 1244 in der Nacht und verkleidet mit geringem Gefolge, darunter drei seiner Vettern, von Sutri nach Civitavecchia ans Meer, dann mit bereitliegenden Schiffen nach Genua, in seine Vaterstadt, und von dort im Spätherbst und Winter weiter nach Lyon, zwar noch Reichsgebiet, doch bereits im Einflußbereich des französischen Königs, der sich allerdings der Bitte um Hilfe versagte. Jedenfalls eine überaus wichtige Entscheidung, eine Art Avignon vor Avignon. Und daß das kuriale Gewerbe auch fern von Rom funktionierte, daß Innozenz IV. auch von der Rhône aus Macht genug hatte, seinem Feind zu widerstehen, ja das Staufertum schließlich niederzuringen, kaputtzumachen, sollte sich bald zeigen. 5
Das Konzil von Lyon, die Lügen des Kardinals und die Absetzung des Kaisers
Zunächst berief der Papst am 3. Januar, den vier Jahre zuvor durch Friedrich brutal verhinderten Konzilsplan Gregors IX. (S. 249 f.) wiederaufgreifend, das I. Konzil von Lyon auf den 24. Juni 1245 ein, und zwei Tage danach trat es zusammen. Mit höchstens 150 Bischöfen kärglich besucht, kamen die meisten aus den romanischen Ländern, fünf aus England, zwei aus Deutschland (aus Lüttich und Prag); niemand erschien aus Ungarn, Polen, den Ostseeländern. Und überhäuften auch viele den geldgierigen Papst mit Geschenken – es hätte, soll er dezent bekundet haben, mehr sein können; beliefen sich die hausgemachten Schulden doch angeblich auf 150000 Pfund an Kapital und ebensoviel an anstehenden Zinsen.
Von den Hauptpunkten, die das Konzil nach papaler Vorgabe thematisierte – innerkirchliche Reform (u.a. der Vermögensverwaltung), Schisma der Griechen, Wiedergewinnung des Heiligen Grabes, Schutz gegen erneute Mongoleneinfälle –, bildete das beherrschende Thema auf allen drei Sitzungen das »Geschäft zwischen Kirche und Kaiser«, die »persecutio« durch den Monarchen, der zwar formlos, in einer Predigt, vom Papst geladen, doch nicht gekommen war, da er nicht als Angeklagter vor ein ihm überdies feindseliges Pfaffengericht treten konnte.
Friedrich hatte nur kurz zuvor zwei Wochen lang das Land um Viterbo verheert, vielleicht auch kuriales Gebiet geringfügig verletzt. Doch aus mehr beiläufigen Streifzügen und eher belanglosen Übergriffen machte der als Vertreter des Papstes in Italien gebliebene Kardinal Rainer von Viterbo, der wilde, streitsüchtige Priester, der nichts als Krieg, unter allen Umständen Krieg mit dem Kaiser wollte, geradezu Staatsaktionen, furchtbare Paktbrüche. Er schickte haßsprühende, maßlos übertriebene Berichte an Innozenz, an die Konzilsväter in Lyon, gift- und gallespeiende, Vorgänger Gregors große Schule verratende Flugschriften, in denen der Kaiser zu einer Schreckgestalt, systematisch zum Vorläufer des Antichrists, wenn nicht zum Antichrist selbst heraus- oder besser heruntergeputzt wurde, zu einem Monstrum, einem Moloch von Rainer Capoccis Gnaden. Alle apokalyptischen Terrorfratzen, Horrorvisionen, Unheilsprophetien spann der Kardinal in seine dreisten Verzerrungen
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