Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
1241, erhielt die Welt einen neuen Papst, den Mailänder Adligen Goffredo da Castiglione, der 1228 als Legat in seiner Vaterstadt die Inquisition eingesetzt hatte. Er nannte sich Coelestin IV., erkrankte jäh, wohl an den Folgen des Konklaves, und starb nach zwei Wochen, am 10. November, ohne geweiht zu sein, ohne Abzeichen, ohne Siegel, ohne eine einzige Amtshandlung, außer der Exkommunikation des Senators Orsini und seiner Schergen. Den »Gesta Treverorum« zufolge endete der Papst, der genaugenommen kaum einer war, jedoch als solcher zählt (vgl. V 477 f.!), »durch Gift. Daher ließen die Kardinäle die heilige Kirche viele Tage ohne Oberhaupt und gleichsam verödet, da sie ein ähnliches Ende befürchteten.«
Ein Teil von ihnen floh nach Anagni. Giovanni Colonna, Haupt der kaiserfreundlichen Purpurträger, wurde vom Senator eingekerkert, seine Stadtburg geschleift. Friedrich entließ zwar den gefangenen Kardinal Otto von St. Nikolaus im Frühjahr 1242, behielt aber Jakob von Palestrina, den er besonders verabscheute, in Haft. So kam es zu keiner Papstwahl. Frankreich drohte bereits mit einem Alleingang. Die Römer stürzten sich, gemeinsam mit einigen Nachbarstädten, auf die kaiserlichen Truppen in der Campagna. Friedrich brandschatzte die Umgebung Roms, verheerte Äcker, Weinberge, stieß im Mai 1243 mit starker Streitmacht auf die Stadt vor und kreiste sie vollständig ein. Doch erst als er Jakob und andere Kardinäle freigab, wählte man nach achtzehnmonatiger Sedisvakanz am 25. Juni 1243 in Anagni den Genuesen Sinibaldo Fieschi aus dem Geschlecht der Grafen von Lavagna. 3
Innozenz IV. (1243–1254), ein glänzender Jurist, der in Bologna studiert, dann dort gelehrt hatte, wurde nach rascher Karriere durch Gregor IX. Kardinal, Vizekanzler der römischen Kirche und 1235 (bis 1240) Rektor der Mark Ancona, deren Rückgliederung in das Reich den Statthalter vertrieb. Ursprünglich eher kaiserfreundlich – mehrere Mitglieder der Familie waren erklärte Ghibellinen (ein Begriff, der, als Gegensatz zu Guelfen, erst im frühen 13. Jahrhundert in der italienischen Politik eigene Bedeutung gewinnt) –, führte er bald den Endkampf gegen Friedrich II. an, der in ihm, so sagte er, einen Freund als Kardinal verlor und im Papst ihn wiederfand als Feind.
Selbstverständlich wußte sich auch der vierte Innozenz, wie der Vorgänger, allen Königen und Kaisern an Würde übergeordnet und trieb, um dies auch de facto zu verdeutlichen, eine völlig skrupellose Politik. Dabei begünstigte er, gleich so vielen Heiligen Vätern, seine Sippe, frönte er »in nie dagewesenem Ausmaß der Vetternwirtschaft« (Kelly). Der zum Bischof von Reggio gewählte Guizolus de Albriconibus mußte 1243 resignieren, weil der dort ebenfalls gewählte Wilhelm de Foliano ein Papstverwandter war. Ebenso nahm Innozenz Bischof Bernhard Vicius de Scotis das Bistum Parma und gab es Albert von San Vitale, einem Sohn seiner Schwester Margareta. Lieblingsnepote Ottobuono Fieschi wurde Kardinal und später als Hadrian V. Papst, womit die Fieschi in zwei Jahrzehnten zwei Päpste stellten. 4
Friedrich, der den neuen Pontifex – »in Wort wie Tat uns immer wohlgesinnt«, schrieb er, obwohl ihn schon der Name »Innozenz« hätte skeptisch machen können – für einen Vertreter der Friedenspartei im Kardinalskollegium gehalten und deshalb im sizilischen Reich hatte Dankgottesdienste zelebrieren lassen, mußte allmählich seinen Irrtum erkennen. Wurde sein letzter päpstlicher Feind doch in vieler Hinsicht sein schlimmster, geriet er durch ihn in einen derart eskalierenden Konflikt, daß der seit dem Investiturstreit entbrannte Kampf zwischen Imperium und Sacerdotium jetzt kulminierte.
Noch während man über die alten zentralen Punkte stritt, die Lombardenfrage, die Rückgabe gewisser Gebiete des Kirchenstaates, entfachte der fanatische Kaisergegner Kardinal Rainer Capocci, ein glühender Verehrer des von ihm bedichteten hl. Franz und – harmoniert hier gut – besessener Draufgänger zugleich, eine Rebellion im bisher kaiserlichen Viterbo. Es war die Vaterstadt des Kardinals. Und als er sie am 8. September 1243 im Handstreich nahm – nicht das von des Kaisers Truppen weiter gehaltene Kastell – und dieser darauf Viterbo viele Wochen lang vergeblich berannte, war es kein anderer als der Papst, der die Verteidiger mit Geld und Kriegern unterstützte. Und kein andrer als Kardinal Rainer hatte die Viterbesen so verhetzt, daß sie die gänzlich erschöpfte
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