Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
gemacht, und durch seine Habsucht wie Bestechlichkeit berüchtigt. Doch der Greis, noch nicht einmal zum Priester konsekriert, starb nach wenigen Wochen. Und auch Johann XXI. (8. September 1276–20. Mai 1277) war kein Franzose, sondern der einzige Portugiese unter den Päpsten. Vordem Gelehrter und Leibarzt Gregors X., mühte er sich jetzt um einen neuen Kreuzzug und lenkte, ehe ihn die einstürzende Decke seines Studios in Viterbo erschlug, vorsichtig zu Gregors Politik zurück, mit der sein Nachfolger, nach einer Vakanz von immerhin sechs Monaten, viel entschiedener fortfuhr. 9
Nikolaus III. (1277–1280), bisher Giovanni Caetano Orsini, gelegentlich, trotz seines kurzen Pontifikats, mit Innozenz III. verglichen, hatte unter acht Päpsten gedient und sieben Päpste gewählt. Zur Zeit Urbans IV. bekleidete er das ihn besonders empfehlende Amt eines Großinquisitors, und er verstand auch sonst sein Geschäft. Er brachte Karl von Anjou um sein Senatorenamt in Rom, um das Reichsvikariat in der Toskana, und von Rudolf von Habsburg bekam er die Romagna. Er schickte alte Kaiserurkunden nach Deutschland, kopierte Texte aus Diplomen Ludwigs des Frommen, Ottos I., Heinrichs II. – die berühmteste »Schenkung« (IV 14. Kap.) fehlte leider –, und Rudolf gab, ohne jede Echtheitsprüfung, alte Reichsrechte und -länder preis.
Als Kardinal soll Giovanni Caetano Orsini ehrenhaft gelebt haben – »man sagt«, fügt der 1348 an der Pest gestorbene Florentiner Giovanni Villani nicht ohne etwas Skepsis hinzu, »er habe die Jungfräulichkeit seines Körpers bewahrt. Von keinem der anderen höchsten Hierarchen verzeichnet man indes Ähnliches.« Doch hatte auch Nikolaus III., der als erster Papst im Vatikanpalast, von ihm umgebaut und vergrößert, residierte, seine Schwächen. Er gab viel Geld der Christenheit für Bauten, Pomp, für Aufwand aus und bedachte vor allem wieder fürstlich den eigenen Klüngel. So machte er zwei jüngere Verwandte und seinen Bruder Jordan Orsini zu Kardinälen, seinen Bruder Matteo Rosso Orsini ernannte er zum Senator, den Neffen Latino Malabranca zum Legaten, Neffen Ursus zum Rektor Tusziens, Neffen Berthold zum ersten Statthalter der Romagna, seit Jahrhunderten ein Teil von Reichsitalien. Der letzte, auf Kosten des Kirchenstaats seinen Nepoten ganze Fürstentümer vermachende Papst soll Innozenz III. gewesen sein, was ja so weit nicht zurückliegt. Doch während ein zeitgenössischer Chronist Nikolaus III. rühmt, ohne Nepotismus »auf dem Erdkreis seinesgleichen nicht gehabt« zu haben, steckt ihn Dante wegen seiner Goldgier unter die Simonisten der Hölle. 10
Nepotismus gab es im Christentum immer und von Anfang an, lang bevor es eine Kirche gab, schon in der Familie Jesu. Und diese speziell klerikale Spielart der Nächstenliebe blüht durch die gesamte Antike (III 499 f.), grassiert im ganzen Mittelalter und weit darüber hinaus.
Am Sitz des Papstes, auf anderen Bischofsstühlen trieb man durch Jahrhunderte eine zielstrebige Verwandtenpolitik. Die Hierarchen versorgten zeitweise, im 10. Jahrhundert fast allgemein, ihre noble Mischpoke üppig mit Kirchengütern. Und vor allem gerieten die Bischofssitze selbst und ihre Diözesen oft durch viele Jahrzehnte in die Hand bestimmter feudaler Geschlechter, wurden sie wie ein Stück Familienherrschaft betrachtet. Die Salier besetzten die Würzburger Bischofskanzel meist mit ihren Verwandten. Die Streußlinger stellten in knapp drei Generationen drei Erzbischöfe und drei Bischöfe. Gelegentlich schien es sogar, als habe man den päpstlichen Thron als Erbstück betrachtet; zumindest spricht die Grabschrift von Sergius III., gewiß ein Sonderfall, Papst und Doppelmörder, Mörder zweier Päpste (V 478 ff.!), von seinem »Vaterrecht auf die apostolische Würde«; in diesem Fall ja ganz besonders würdig.
Auch in Klöstern vererbte sich der Abtsrang oft vom Onkel auf den Neffen. Selbst in »Ketzer«-Kreisen floriert das Phänomen. Bei den Nestorianern, beispielsweise, war der Nepotismus fast unausrottbar und reicht bis ins 19. Jahrhundert. Und bei den Päpsten dauert er – am unverschämtesten bei Pius XII. und seiner unter Mussolini gefürsteten Familie – bis tief ins 20. Jahrhundert hinein.
Nicht jeder, gerechterweise sei's gesagt, strebte in die nächste Nähe der Sedes Apostolica. Als Nikolaus III. dem ehemaligen Franziskanergeneral Johann von Parma – er wurde 1777 beatifiziert (trotz eines ihm einst gemachten »Ketzer«-Prozesses) – den
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