Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
nachdem allmählich aus den Schutzbriefen der spätkarolingischen Kaiser und Könige ein Abhängigkeitsverhältnis der Juden entstanden war, das sich bis zur Kammerknechtschaft steigerte. Denn nun galten sie als »eine Art Hörige oder als Knechte der Herrscher, die sich infolgedessen als Eigentümer des jüdischen Vermögens ansahen oder zum mindesten eine ständige Hypothek darauf hatten und es gelegentlich ganz einzogen und jedenfalls regelmässige und außergewöhnliche Steuern einhoben« (Browe).
Doch kaum zu glauben, daß man die Kammerknechtschaft der Juden in der Rechtsgeschichte bis ins 20. Jahrhundert hinein für einen Fortschritt der Gesetzgebung gehalten hat, für eine Verbesserung, obwohl sie nur eine Verbesserung der Ausbeutung war, obwohl die Juden kraft der Landfriedensordnungen in Deutschland bisher besser lebten, obwohl ihr Schutz jetzt mehr und mehr schwand, ihre Unsicherheit, Unfreiheit noch stieg, die Erpressungen zunahmen, die Beraubungen, Verjagungen, Auslöschungen, kurz, die Kammerknechtschaft zu einer »rechtlichen Maske für schreiendes Unrecht wurde« (Krämer-Badoni), artiger gesagt, seriöser, sich »vom persönlich verpflichtenden Schutzverhältnis zum disponiblen finanziellen Nutzungsrecht des Berechtigten wandelte« (Battenberg).
Man kann aus solchen Formulierungen viel ersehen, beiläufig die Hauptsache. So schreibt man nämlich gewöhnlich Geschichte, so sauber, ganz so sauber. Aber sieht sie denn so sauber aus? Aus den Schutzbriefen der Herrscher ging die Kammerknechtschaft der Juden zuerst in Westfrankreich hervor, dann in England, wo es in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in den sogenannten Gesetzen Eduards des Bekenners heißt: »Die Juden und all das Ihre gehören dem König.«
Auch in Deutschland gehörten die Juden zur »Kammer« des Kaisers. Und Ludwig IV. der Bayer war es, der gegen Mitte des 14. Jahrhunderts den »guldin pfenning« einführte, die erste, den deutschen Juden auferlegte regelmäßige staatliche Kopfsteuer, indem er Anfang des Jahres 1342 bestimmte, »daß ihm jeder Jude und jede Jüdin, die Witwe ist, und die, welche zwölf Jahre alt sind und zwanzig Gulden Wert haben, jeglicher und jegliche, alle Jahre einen Gulden geben sollen zu Zins von ihrem Leibe«. Diese Bestimmung impliziert bereits den Zustand der Unfreiheit; denn wer einen Tribut für sich selbst, für sich als Person zahlt, ganz gleich wann und wem, ist nicht mehr frei. Schon im nächsten Jahr drückt dies der Kaiser unmißverständlich so aus: »Alle Juden gehören uns mit ihrem Leib und ihrem Besitz, und wir können mit ihnen alles tun, was wir wollen und wie es uns beliebt.« Mit diesem lapidaren Diktum erließ er dem Nürnberger Burggrafen alle Schulden bei 85 namentlich genannten Juden.
Kaiser Karl IV. hat diese Erklärung seines Vorgängers übernommen und unüberbietbar schamlos exemplifiziert. Schloß er doch mit einigen Kommunen, mit Frankfurt und Nürnberg, profitable Vorverträge über die Ermordung und Beraubung der dortigen Juden. Für 15200 Pfund Heller trat er am 25. Juni 1349 seine Rechte über die Juden Frankfurts (»ihr Leib und ihr Gut, ihre Höfe, Häuser, Kirch- und Schulhof, ihr Eigen und ihr Erbe«) an die Stadt ab, sicherte im voraus Straflosigkeit für den etwaigen Tod der Juden zu, »es wäre, wovon es wäre, oder käme, wovon es käme«. Die Rechnung ging auf. Als wenig später die Frankfurter Christen über »ihre« Juden herfielen und sie niederstachen, kassierte die Stadt ihr Vermögen. 57
Das Abtreten der Rechte über die Juden, der »Knechte (servi) der kaiserlichen Kammer«, so erstmals 1236 durch Friedrich II. bei Erneuerung des Wormser Judenprivilegs bezeichnet, das Abtreten der Juden an Bischöfe, Städte, Adlige, die sie dann besteuerten und über die sie auch anderweitig verfügten, kam allmählich immer mehr in Schwang. Denn die Regenten ersparten sich dadurch eine Menge pekuniärer Probleme. Sie gaben die Kammerknechtschaft hin und strichen dafür bares Geld ein oder beglichen wenigstens Berge von Schulden bzw. sonstige Verpflichtungen.
So konnte Heinrich Raspe, der Grund hatte, dem Würzburger Bischof dankbar zu sein, diesem 1247 die dortigen Juden gegen 2300 Mark verpfänden, was den Würzburger Bischöfen übrigens besser bekam als den Würzburger Juden. Denn obwohl deren Verpfändung nur für des Königs Lebenszeit gedacht war und sie nach seinem Tod wieder in die Kammerknechtschaft des Reiches zurückkehren sollten, kassierten nun die
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