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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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abgezogen, brach der Kaiser aus dem festen Braunschweig wieder sengend und brennend über die Lande herein – was doch (nicht nur) seinerzeit zu den wichtigsten Regierungspflichten gehörte. 13
    Herausragende »Erfolge« erzielte dabei niemand; ja der Kaiser hatte Friedrichs anfänglichen Siegeszug, trotz dessen Überlegenheit, offensichtlich gestoppt. Auch fiel die Entscheidung im deutschen Thronstreit überhaupt nicht in Deutschland, sondern im Endkampf zwischen England und Frankreich, genauer durch die Schlacht bei Bouvines, an der Friedrich gar nicht beteiligt war.
    Johann Ohneland (1199–1216), der letzte überlebende Sohn Heinrichs II., war bereits 1206 im Krieg gegen Frankreich unterlegen, wodurch das »Angevin Empire«, das 1154 von Heinrich II. gegründete Reich der Plantagenêts, das England und weite Gebiete Westfrankreichs umfaßte, sein Ende fand. (In England selbst herrschte die Dynastie aber bis zur Thronbesteigung der Tudors 1485; der wahrscheinlich letzte männliche Plantagenêt, Edward, Earl of Warwick, wurde 1499 hingerichtet.) Und als 1205, nach dem Tod des Erzbischofs von Canterbury Hubert Walters, der Papst zum Nachfolger Stephen Langton einsetzte, der König jedoch heftig widerstand und seinen Ratgeber John de Gray, den Bischof von Norwich, auf den Erzstuhl bringen wollte, kam es zu jahrelangen Querelen zwischen Papst und König, was zu dessen Bannung und zur Verhängung des Interdikts über England führte (1208 bis 1214). Innozenz beauftragte 1213 den französischen Monarchen mit der Invasion der Insel. Doch als sich der in die Enge getriebene Brite in seiner Verzweiflung ganz dem Papst unterwarf und England von ihm zu Lehen nahm, verbot Innozenz nun dem Kapetinger strikt den Krieg, und Johann Ohneland griff jetzt seinerseits Frankreich an. 14
    Im Frühjahr 1214 landete er in La Rochelle; gleichzeitig ging von Osten her der deutsche Kaiser vor, wodurch der Kapetinger in einen gefährlichen Zangenangriff geriet, der seine Macht zermalmen sollte. Doch erst wurde König Johann von dem französischen Thronfolger (Ludwig VIII.) im Poitou schwer geschlagen, dann Kaiser Otto in Flandern von dem zahlenmäßig unterlegenen Heer Philipps am 27. Juli 1214 in der Schlacht von Bouvines östlich von Lille so vollständig besiegt, daß er sich nicht mehr davon erholen konnte und der staufisch-welfische Thronkrieg in Deutschland definitiv zugunsten Friedrichs II. entschieden war. Otto IV. mußte in sein Stammland zurück, wo er in den letzten Jahren blieb, blutige Schläge von nur noch lokaler Bedeutung austeilend, bis er am 19. Mai 1218, fünfunddreißigjährig, isoliert und deprimiert auf der Harzburg starb – in seinem Testament »zur Rettung Unserer Seele« auch noch den Zahn des Täufers (dentem sancti Johannis baptiste) notierend.
    Als schicksalhaft erwies sich das Gemetzel von Bouvines auch für Frankreich und England, da letzteres am 18. September 1214 im Vertrag von Chinon seinen Landbesitz nördlich der Loire einbüßte, nachdem es zehn Jahre früher schon die Normandie und weitgehend das Poitou preisgegeben. Was es seit 1066 zusammengebracht hatte, war nun wieder verloren.
    Zudem führte die Niederlage von Bouvines in England zum offenen Aufstand der Barone, der im Juni 1215 König Johann die Zustimmung zur »Magna Charta«, zur »Großen Freiheitsurkunde«, abzwang. Dieses wichtigste altenglische Grundgesetz, die Basis der britischen Parlamentsverfassung, enthält eine Fülle von fiskalischen, juristischen, sozialen Bestimmungen, wobei es sich vor allem gegen die wachsende Willkür des Königtums wandte und besonders die Ansprüche der Barone sicherte, aber auch sonstige Forderungen, die Garantien bürgerlicher Rechte betraf, den Prozeßverlauf, den Rechtsschutz minderjähriger Erben, der Witwen, das Eigentum, die persönliche Freiheit u.a. Bemerkenswert: daß die baronale Opposition auch die entschiedene Unterstützung des Erzbischofs von Canterbury, Stephen Langton, fand, des einstigen Papstproteges im Kampf gegen den König. Da aber Innozenz inzwischen auf der Seite des Königs stand, suspendierte er jetzt den Erzbischof und annullierte die Magna Charta als Demontierung der Rechte seines Vasallen.
    Während in Frankreich die zeitgenössische Historiographie den Triumph des regnum Francorum feierte und Philipp II. selbst als Fortsetzer der gloriosen Reihe karolingisch-kapetingischer Könige, als Mehrer des Reichs, als »augustus« und »rex fortunatissimus«, hatte er ja den Boden für die

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