Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Humanist bekannter denn als Hierarch, obwohl das hohe Amt seinem Ruf als Autor sicher nützte, hätte auch der Papst dann angeblich viel darum gegeben, manches, was er als Laie schrieb, nicht geschrieben zu haben.
Daß Piccolomini, ein so pittoresker wie extrem seltener Typus unter Päpsten, ebenso witzig wie kenntnisreich gewesen, auffallend vielseitig überdies, ist unbestritten. Vielleicht aber war der längst Illustre zu richtungslos, zu wenig eindeutig, leidenschaftlich, war er glänzender als gehaltvoll, zu sehr Rhetoriker, um im hohen Sinn bedeutend oder doch Poet zu sein. 17
Auch als Kirchenführer überragte Piccolomini nicht; absurd ihn einen »der größten Päpste« zu nennen – inwiefern? Im Lichte seiner »Commentarii« vielleicht, seiner selbstverliebten Memoiren, der einzigen Autobiographie eines römischen Oberhirten.
Piccolomini, aus verarmtem Sieneser Adel (was ihn zu »massiver« Familiengeschichtsfälschung verführte), wuchs in Corsignano, einem Flecken, auf, den er, in Pienza umbenannt, zur Stadt, zum Bischofssitz erhob und mit pompösen Bauten schmückte.
Nach Studien in Siena und Florenz führt er, vieler Herren Sekretär, ein jahrzehntelanges Wanderleben, eine Art Diplomatenlaufbahn, vor allem in Deutschland, wobei die Umstände seine Präferenzen bestimmen, er wohl mehr aus Karriere-Kalkül als aus Überzeugung die Seiten wechselt.
Zunächst u.a. im Dienst des Kardinals Capranica, tritt er, als dieser 1432 vor Eugen IV. zu der mehr und mehr antirömischen Basler Kirchenversammlung (S. 224 f.) flieht, gleichfalls dort an. In scharfen Attacken verteidigt er die Autorität des Konzils gegenüber dem Papst, ja wird Sekretär Felix' V., des Gegenpapstes (S. 225). Doch als ihn Felix 1442 zum Frankfurter Reichstag schickt, wo ihn Friedrich III. zum poeta laureatus, zum Hofdichter, krönt und lockt, den untergehenden Gegenpapst zu verlassen und in seinen, des Königs, Dienst zu treten, tritt er über, wird Mitglied der Reichskanzlei, ein enger Freund auch von Kaspar Schlick, dem ersten Laien-Kanzler eines römisch-deutschen Potentaten, wird 1447 Bischof von Triest, 1450 Bischof von Siena, dann durch Calixt, schon lange angestrebt, 1456 Kardinal, endlich und zumal durch eigenes Zutun wieder zwei Jahre später Papst. 18
Einen ähnlich abrupten Bruch gab es in Piccolominis Lebenswandel.
Wie einst der hl. Augustin trieb es auch Enea in puncto puncti zunächst sehr locker, leichthin, schrieb's aber, anders als jener frivol renommierend, sich breit von der Seele oder wovon immer: ein vielgelesener Verfasser erotischer Literatur, geradezu »auf pornographische Sujets spezialisiert« (Cawthorne).
Das Potente lag offenbar in der Familie. Schon Vater Sylvius – »Ihr wißt, welch ein Hahn Ihr wart«, erinnerte ihn der Sohn – machte der Gattin Victoria Forteguerra achtzehn Kinder. Und wenigstens etliche, überdies uneheliche, machte auch Enea. Von einem schottischen Mädchen bekam er ein Söhnchen, durch eine Bretonin in Straßburg, Mutter einer fünfjährigen Tochter, schenkte ihm »der Herr« noch einen Sohn. Mindestens zwei weitere sehr natürliche Kinder, gelegentlich sprach man gar von einem Dutzend, setzte der spätere Papst in die Welt.
Und er war stolz darauf, gestand, weder »Eunuch noch von kühlem Blut« zu sein, auch »kein Heuchler«, ja kannte, fast schon vierzig, nichts Herrlicheres für den Menschen, »als sein eigenes Ebenbild zu zeugen, gleichsam die eigene Art fortzupflanzen und nach seinem Tode jemanden zurückzulassen ... Was mich betrifft, so bin ich entzückt, daß mein Samen Frucht gebracht hat und ein Teil von mir überleben wird, wenn ich sterbe«. 19
Doch dann, als Piccolomini entschlossen den roten Hut ansteuerte, gar Papst geworden war, wollte er von seiner theologisch und moralisch aufmüpfigen Vergangenheit nichts mehr wissen.
Erste Selbstverdammungen begegnen als Bischo f. Kein extremer Konziliarist war er jetzt mehr, der eifernd die antirömische Linie der Basler verfocht, sondern entschiedener Papist. Er forderte und förderte nicht mehr die Konzilsautorität als Waffe gegen den Papst, sondern wetterte gegen das »todbringende Gift« des Konziliarismus und untersagte in der Bulle »Execrabilis« vom 18. Januar 1460 strikt jedwede Berufung auf eine allgemeine Kirchenversammlung als Häresie und Majestätsverbrechen.
Natürlich war der Karrierist auch nicht mehr der lebenslustige Autor lasziver Erotika, der die freie Liebe vertrat, sondern der zur Sittenstrenge
Weitere Kostenlose Bücher