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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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der einstige Schreiber der Wiener Kanzlei jetzt Kaiser Friedrich III. zum Generalkapitän des von ihm so ersehnten Krieges. Dieser stand in all den Jahren so im Mittelpunkt seines Denkens und Tuns, daß Reformen oder Reformentwürfe, selbst die ausgereiftere »Reformatio generalis« (1459) des Nikolaus von Kues, einfach auf der Strecke blieben, Einzelfälle beiseite. Doch sein Legat Kardinal Bessarion, mehrfach aussichtsreicher Papstkandidat, nicht unbedeutender Humanist, Protektor von Poggio Bracciolini, Lorenzo Valla, Regiomontanus, blitzte trotz aller Beredsamkeit 1460/1461 bei Kaiser und Reichsständen ebenso ab wie bei seinen späteren Legationen für einen Türkenkreuzzug in Venedig und Frankreich. 25
    Deshalb beschloß Pius, die heilige Sache selbst in die Hand zu nehmen.
    Zwei Ereignisse des Jahres 1462, ein sozusagen ideelles und ein materielles, mögen ihn dabei beflügelt haben. Einmal tauchte infolge der Flucht vor den Türken der angebliche Kopf des Apostels Andreas auf, des Bruders von St. Peter, sogleich ein – freilich aussichtslos – begehrtes Kaufobjekt in europäischen Fürstenhäusern; an Päpste mochte man da kaum mehr glauben, doch noch an die, so oder so, von ihnen vermarkteten Reliquien.
    In Rom überreichte Kardinal Bessarion, in Tränen aufgelöst, den buchstäblich fabelhaften Schädel dem gleichfalls Tränen vergießenden, leichenblaß zu Boden gegangenen Papst, der den (wäre er denn echt gewesen, seit fast eineinhalb Jahrtausenden toten) körperlosen Ankömmling folgendermaßen auf lateinisch begrüßte: »So kommst du endlich, o allerheiliges duftendes Apostelhaupt, durch die Türkenwut von deinem Sitz vertrieben. Zu deinem Bruder, dem Fürsten der Apostel, nimmst du als Verbannter deine Zuflucht. Dies ist die Alma Roma, welche du vor dir siehst, und die dem kostbaren Blut deines leiblichen Bruders gewidmet ist. Die Römer sind die Nepoten deines Bruders, und sie begrüßen dich alle als ihren Oheim und Vater.«
    Kein Wunder, daß auch viele Römer und Römerinnen angesichts des Spektakels zumindest das Gesichtswasser nicht halten konnten. Und anderntags huldigte man dem duftenden Apostelhaupt (und Papst Pius) noch mit einer stundenlangen pompösen Prozession – – denn: Religion bedeutete Schauspiel, Schaustellung, Ritual –, und Pius hatte anscheinend eine besondere Vorliebe für prunkvolle Feste. Die angeführte gläubige Masse wälzte sich durch die überaus herausgeputzte Stadt, wobei der Palast Kardinal Rodrigo Borgias alles an Pracht übertraf und Kardinal Bessarion in einer Predigt beteuerte, der Apostelfürst werde seinen Bruder Andreas an den bösen Türken rächen, was jener aber durchaus nicht tat.
    Ein wahres Wunder und eine weitere göttliche Beisteuer zum Türkenkreuzzug nannte eine Bulle des Papstes im selben Jahr die Auffindung der Alaungruben von Tolfa durch Giovanni de Castro, den bald papale Hofpoeten lobpriesen, während ihn Pius selbst durch ein Denkmal verewigt sehen wollte. Sofort, noch unter ihm, wurden die Alaungruben durch Tausende von Arbeitern ausgebeutet; sie brachten der Kurie geschätzte 100000 Goldgulden jährlich ein und waren dreihundert Jahre lang in Betrieb.
    Pius II., der Italien befriedet, die Tyrannen gezähmt fand, rief am 22. Oktober 1463 die ganze Christenheit erneut zum Kreuzzug auf und bestimmte Ancona für den Sommer nächsten Jahres zum Ausgangspunkt. Im Juni nahm er dann in Rom das Kreuz und ging, während sich Europas Fürsten, mit Ausnahme weniger, wie des Sonderinteressen hegenden Dogen, verweigerten, ging ruhmsüchtig, gedrängt von dem Ehrgeiz, ein welthistorisches Fanal zu setzen, gichtbrüchig und sterbenskrank nach Ancona, wollte an der Spitze der sich sammelnden Kreuzfahrer, unter denen die Sommerhitze schon Seuchen ausgebrütet, von denen viele schon wieder heimkehrten, in See stechen, sah noch drei Tage vor seinem Tod, »mit viel Beschwer« an ein Fenster getragen, die Segel von zwölf venezianischen Schiffen am Horizont und starb am 15. August 1464. 26

Paul II. (1464–1471), »die fromme Maria«

    Pietro Barbo, Sproß einer reichen venezianischen Kaufmannsfamilie, wurde von seinem Vorgänger, der ihn als »fromme Maria« bespöttelte, nicht begünstigt. Die kirchliche Karriere verdankte er Onkel Eugen IV., der den Sohn seiner Schwester schon mit 23 Jahren, 1440, zum Kardinal erhob.
    Als Barbo am 30. August 1464 im ersten Wahlgang überraschend Papst geworden war, brach er umgehend eine zuvor beschworene, 18 Punkte

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