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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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rufende Heilige Vater. Noch 1463, im Jahr vor seinem Tod, bestand er in der Retractationsbulle »In minoribus agentes« darauf: »Aeneam rejicite, Pium recipite!« (Verwerft Aeneas, haltet Euch an Pius!). Und die Moralpauke fiel ihm desto leichter, als er schon mit Fünfzig physisch verbraucht, gichtgeplagt, überdies kahl war und greisenhaft wirkte. 20
    Immerhin bezeichnend die folgende Reaktion. Als ein befreundeter Priester seine Dispens vom Zölibat erbittet, drängte er ihn zwar zur Enthaltsamkeit, mahnend, alle Weiber wie die Pest zu fliehen, jede Frau für einen Teufel zu halten. Aber, setzt er gleich hinzu, der Dispens Wünschende werde jetzt freilich sagen, »seht, wie streng ist doch Aeneas. Jetzt preist er mir die Keuschheit und ganz anders redete er zu mir in Wien und in Neustadt. Es ist wahr, aber die Jahre nehmen ab, der Tod rückt heran. Elend und der Gnade Gottes verlustig ist derjenige Mensch, der nicht zuweilen in sein Inneres einkehrt, nicht sein Leben bessert und nicht an das denkt, was er in dem künftigen Leben sein wird. Ich muß bekennen, ich habe es satt und überdrüssig. Die Venus ekelt mich an. Freilich nehmen auch die Kräfte ab. Mein Haar ist grau, meine Nerven sind ausgetrocknet, mein Gebein ist morsch und mein Körper übersäet mit Runzeln. Ich kann keinem Weibe mehr zur Lust dienen und keine mir. Von nun an diene ich mehr dem Bacchus als der Venus. Der Wein ernährt mich, erfreut und ergötzt mich und macht mich selig. Dieser Saft wird mir bis zum Tode süß sein. Wahr ist es, mich flieht mehr die Venus als ich sie.« 21
    War die humanistische »Zierde des Papsttums« auch nicht mehr in wollustvolle Abenteuer verstrickt – in kriegerischen Händeln, tatsächlichen oder begehrten, steckte Pius bis zuletzt, auch wenn man es gern überspielt, schönt, gefälligere Aspekte hervorhebt, ihn etwa, mit seinen eigenen Worten, als »Liebhaber der Wälder« preist, wenn man seinen Pontifikat in der »heitern Menschlichkeit« seiner Zeit sich verlieren und sein Leben als Papst »fleckenlos« sieht. »Von jeder kriegerischen Politik wendete er sich ab.« »Wenige Päpste haben sich zu ihrer Ehre so wenig um Kriegswesen bekümmert wie Pius II.«, meint Gregorovius, behauptet: den Kirchenstaat habe er fast ungeschützt gelassen, Festungen nicht beachtet und Gebiete, die Vorgänger nur auf der Flucht oder mit Heerhaufen durchzogen, ganz gemächlich besucht, entzückt betrachtet, beschrieben – »den Virgil in der Hand ...« 22
    Ganz so idyllisch, das läßt auch der Geschichtsschreiber Roms erkennen, ging es nun freilich nicht zu.
    Das zeigt schon das Engagement des Papstes im Königreich Neapel, dessen Bevölkerung im ausgehenden Mittelalter von 3,4 Millionen auf 1,7 Millionen sank. Der angeblich so unkriegerische Kirchenfürst kämpfte im neapolitanischen Konflikt auf der Seite Ferrantes I., eines Königs, der unentwegt Kriege führte und Aufstände niederschlug, u.a. in der Toskana, den Abruzzen, in Apulien, Kalabrien, kämpfte gegen den von Frankreich protegierten Herzog Jean von Anjou-Lothringen, Titularherzog von Kalabrien, und er kämpfte nicht zuletzt seiner Verwandten wegen.
    So mußte Ferrante für den Beistand des Heiligen Vaters beim Blutvergießen dem Nepoten Antonio Piccolomini als Lehen die Herzogtümer Sessa und Amalfi sowie die Grafschaft Celano überlassen. Und auch nach Niederringung Sigismondo Malatestas von Rimini hätte derselbe Papstneffe ohne den Einspruch Venedigs das ganze Territorium der Malatesta bekommen.
    Denn das System des »großen Nepotismus« florierte auch unter diesem Hohenpriester. Der ihm Nächststehende, sein Sekretär Gregorio Lolli, war der Sohn seiner Tante Bartolomea. Ein Verwandter mütterlicherseits, Niccolò Forteguerra, wurde Kardinal; Giacomo Tolomei wurde Vogt der Engelsburg; Alessandro Mirabelli Piccolomini, ein Bankier in Rom, Rector Frascatis. Von den vier Söhnen seiner Schwester Laudomia avancierte Neffe Andrea zum Herrn von Castiglione della Pescaja, Neffe Giacomo zum Herrn von Montemarciano, Neffe Francesco zum Kardinal, Neffe Antonio zum Herzog, um weitere Verwandtenförderungen zu übergehen, nepotistische Neigungen, nein, Exzesse, die auch den zweiten, Kriege so verabscheuenden Pius bis zum Kampf mit den Waffen führten.
    Natürlich nicht nur im neapolitanischen Konflikt, auch gegen seine Widersacher im Kirchenstaat, gegen den Grafen Eversus, den Malatesta, den (dann im Auftrag König Ferrantes gefangengenommenen und ermordeten) Jacopo

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