Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Piccinino. Die päpstlichen Truppen unterlagen bei San Fabbiano in den Abruzzen, bei Sarno, bei Kastell Lione. Doch konnte der Stratege seiner Heiligkeit, Federico von Urbino, 1461 die ganze Sabina beugen und zusammen mit dem Pius-Verwandten, Kardinal Forteguerra, ein vielversprechender Name, am 13. August 1462 Sigismondo Malatesta von Rimini schlagen, den schönen, verwegenen, humanistisch gebildeten Atheisten, den Inbegriff eines Renaissancemenschen, für von Pastor aber ein Gewaltherrscher, frecher Heide, blutdürstiger Wüstling, notorischer Verbrecher, »die entsetzlichste Erscheinung der Epoche der Frührenaissance«, ja »einer der schrecklichsten Fürsten aller Zeiten« – Hitler konnte der 1928 verstorbene Historiker der Päpste noch nicht einbeziehen.
Im September des folgenden Jahres entmachtete man Malatesta durch die Niederlage bei Fano fast ganz. Pius nahm ihm alle Städte bis auf Rimini, schimpfte ihn die »Schande Italiens«, ließ ihn in Abwesenheit zum Tod verdammen und an zwei Stellen Roms statt seiner ein ihm täuschend ähnliches Bild verbrennen mit der Unterschrift: »Dies ist Sigismondo Malatesta, König der Verräter, Feind Gottes und der Menschen, zum Feuer verurteilt durch den Beschluß des heiligen Kollegiums.«
Nicht ausgeschlossen: daß viele der über Malatesta (dessen Sarkophag, wie furchtbar, dann nicht mal ein christliches Emblem aufwies) kursierenden grausigen Geschichten – Ermordung zweier seiner Frauen, Unzucht mit der eigenen Tochter, Vergewaltigung Ungezählter beiderlei Geschlechts – in der kurialen Gerüchteküche ausgebrütet worden sind. Kurz, »dieser Papst«, schreibt Gregorovius, »welcher Kriege verabscheute, besiegte alle seine Feinde, eroberte deren Länder und vergrößerte den Kirchenstaat« – eben doch nicht nur mit dem Virgil in der Hand. 23
Schließlich ließ Pius II. 1461/1462 auch politische Gegner, Banditen, Terroristen, würde man heute vielleicht sagen, mit Truppen jagen und mehr als ein Dutzend von ihnen hinrichten; darunter Tiburtius, dessen Vater Angelo de Maso schon als Teilnehmer des Porcaro-Putsches (S. 263 f.), ebenso wie ein älterer Bruder, durch Papst Nikolaus V. ein Jahrzehnt früher liquidiert worden war. Und wie die beiden wurde nun auch Tiburtius im Kapitol gehenkt.
Im übrigen – wenn der Papst in dem von Parteikämpfen und Empörungen geschüttelten Italien Frieden zu verbreiten suchte, so nicht zuletzt deshalb, weil auch er, wie lange unterschätzt, intensiv die Wiederaufnahme der Kreuzzüge wünschte; weil auch er dies, wie die Vorgänger, allerdings mit noch geringerem Erfolg, erstrebte, von Beginn seines Pontifikats an, ja bereits vordem, und bis zum letzten Atemzug; wenn es auch, wie schon seit längerem, nicht mehr um die traditionellen Offensiven ging, sondern um die Eindämmung der türkischen Invasion, freilich nur die Folge der einstigen christlichen!
Schon die von Pius beschworene Wahlkapitulation forderte vor allem den Türkenkrieg. Und da er einerseits bereits vor seinem Kardinalat auf vielen deutschen Reichstagen diesen Kampf propagierte, andererseits seinem Pontifikat eine gesamteuropäische, eine weltgeschichtliche Leistung fehlte, fiel es dem Ruhmgierigen leicht, immer wieder für die Befreiung Konstantinopels zu werben, immer wieder Fürsten und Völker missionarisch daran zu erinnern, die Europäer zu einem gemeinsamen Krieg aufzustacheln, obwohl ihm sogar Kardinäle opponierten.
Der schwärmerische Romantiker stiftete 1459 den Ritterorden der heiligen Maria zu Bethlehem. Und noch im selben Jahr, wenige Wochen nach seiner Erhebung, organisierte er in Mantua einen Kreuzzugkongreß der Herrscher, die ihn dort monatelang warten ließen, wie er überhaupt sein Ziel voll verfehlte. Ja, der Phantast versuchte allen Ernstes durch seine »Epistula ad Manometern«, ein langes, noch im 20. Jahrhundert umstrittenes Schreiben, den siegreichen Sultan Mohammed II., der schon Lesbos, Bosnien erobert und das griechische Reich zu einem türkischen gemacht hatte, zum Christentum zu bekehren, wobei er ihm, den das Dokument nie erreichte, das Blaue vom Himmel versprach und der glückseligen Welt ein goldenes Zeitalter. Doch aus dem Ritterorden wurde ebensowenig wie aus dem Religionskrieg oder der Bekehrung Mohammeds. 24
Gleichwohl, im Januar 1460 verkündete Pius II. einen dreijährigen Kreuzzug Europas gegen die Türken.
Denn noch immer galt der Türkenkrieg als Kreuzzug, noch immer bestimmte der Papst diesbezüglich, bestimmte
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