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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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verhieß weitgehende Indulgenzen und erteilte besonders den auf der Reise zur römischen Jubelfeier 1350 ins Gras Beißenden »völligen Ablaß ihrer Sünden«, ja befahl den Engeln, »ihre Seelen sofort ins Paradies zu tragen ...« Und das in Tagen, da man witzelte: Gott will den Tod des Sünders nicht, sondern daß er lebe und zahle ...
    Heiligkeit persönlich eilte gleichwohl nicht nach Rom, trotz all der dort aufgebotenen Gnadenschätze. Auch nirgends unterwegs ließ sie sich blicken, gar nicht scharf offenbar auf Engelflug und Paradieseswonnen. Auch nicht in der Grafschaft Venaissin, sonst auf pompösen Jagden oft durchstürmt, wurde der wilde Weidmann gesichtet, nicht einmal in Avignon: Tausende von Häusern nun zugenagelt, vierhundert Tote, heißt es, täglich. Auch neun Kardinäle starben; auch Petrarcas mächtiger Gönner Giovanni Colonna starb; auch seine Geliebte Laura verschied am Morgen des 6. April 1348 – falls sie denn, seit Bocaccio bezweifelt, je gelebt hat. Die Inquisition freilich ruhte auch zur Zeit des »Schwarzen Todes« nicht. Im Pestjahr 1348 verbrannte, unweit von Avignon, der Erzbischof von Embrun, de Sarrats, zwölf Waldenser vor der Kathedrale.
    Clemens VI. aber saß, während die Seuche sieben Monate lang die Papststadt verheerte, in einem Spezialgemach, einer Art hohepriesterlicher Isolierstation, saß von aller Welt hermetisch abgeschirmt, durch große Feuer rings bewehrt, gefeit zudem vermittels eines wunderherrlichen Smaragds: Gegen Mittag gehalten, schwächte er die Kraft des Gifts, gegen Morgen gehalten die Ansteckungsgefahr – Herr, welch wunderbares Gottvertrauen! 31
    Die neuen Heils- und Geldströme flossen indes, gerade noch rechtzeitig gefördert durch Clemens' Lehre vom »infinitus thesaurus ecclesie« (1348), ganz gewaltig fort. Und mußte man zuerst nach Rom zu den Basiliken der Apostelfürsten pilgern, um all die großen Gaben zu erlangen, so gestattete der Heilige Vater jetzt gütig den Bewohnern Mallorcas das Gewinnen des Jubiläumsablasses zu Hause – gegen Zahlung von 30000 Gulden an ihn.
    Die Sache machte Schule.
    Das nächste gnadenbringende Jubeljahr fand nicht mehr nach fünfzig, sondern nach vierzig Jahren unter Bonifaz IX. statt, der viel Geld brauchte, nicht zuletzt für seine Kriege. Dann wurden die Intervalle noch kürzer, 33 Jahre und, seit Paul II. 1470, alle 25 Jahre. Schließlich boten auch konkurrierende Wallfahrtszentren (Montmajour, Lyon, Canterbury, Santiago de Compostela) Heilige Jahre an. Und überhaupt schössen gefälschte Ablaßangebote, zumal römischer Kirchen, bald nur so aus dem Boden (VII 397). 32

Marsilius von Padua – »nie ein schlimmerer Ketzer« – und Tod von Kaiser und Papst

    Clemens VI., bereits als Benediktiner Pierre Roger ein Intimus des französischen Königs – »Grande amicó e protettapre del re Filippo« (Villani) – und zugleich Erzieher des böhmischen Prinzen Karl, des künftigen Kaisers, war auch seit langem ein entschiedener Gegner Ludwigs IV. des Bayern.
    Insbesondere aber bekämpfte der Papst erbittert dessen literarische Mitstreiter, vor allem Marsilius von Padua, den einstigen Rektor der Universität von Paris, dem »Athen Europas«, mit damals schon mehr als fünfhundert Dozenten. Ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt äußerte Clemens in einer Rede am 10. April 1343: »Wir getrauen uns zu behaupten, daß wir nie einen schlimmeren Ketzer gelesen haben als diesen Marsiglio.« Marsilius, der in seinem »Defensor Pacis« für die Souveränität des Staates focht (VII 493 f.), bezichtigte die Päpste als Anzettler gottloser Kriege, darin die Gläubigen mit »Haß und Bosheit im Herzen« sterben. »Ich will die Lügen dieser Bischöfe aufdecken«, rief er. »Seht ihr nicht die ungeheure Vergewaltigung, die alle römischen Bischöfe mit ihren Scharen von Geistlichen und Kardinälen ausüben, die nur ein Ziel haben, die Lügen ihrer Zauberbücher auszusäen?«

    So nahm Clemens den Kampf seines Vorgängers Johanns XXII. gegen den Bayern (VII 487 ff.) wieder auf, einen lebenslang religiösen Fürsten, den er allsonntäglich in den Kirchen verfluchen ließ. Zwar setzte er sich weiter mit ihm auseinander, doch nur um Zeit zu gewinnen, und forderte am 12. April 1343 in der Bulle »Prolixa retro« seinen Verzicht auf die Kaiserwürde innerhalb von drei Monaten. Und nach neuerlichen Schein Verhandlungen mit dem ihm entgegenkommenden, sich unterwerfenden Wittelsbacher – »er widerrief Alles, was er als Kaiser bisher

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