Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
finanzieren durch Raub und Lösegeld. Dazu aber kam die Ausbeutung der eigenen Bevölkerung, die das Eintreiben der Kriegsmittel mehr fürchtete als die Kriegsschäden.
Das Land war in einen französischsprachigen Teil und in die keltische »Bretagne bretonnante« gespalten, und die Hauptwidersacher rangen um den Thron des 1341 ohne legitimen Erben verstorbenen Herzogs Johann III.
Auf der einen Seite stand, vom englischen König Eduard III. unterstützt, der Halbbruder des Verstorbenen, Johann Graf von Montfort; und nach dessen Gefangennahme und Tod kämpfte seine Frau Johanna von Flandern, tapfer, verbissen, listenreich, sogar in Seeschlachten für ihren Sohn Johann IV. fort, bis sie, irrsinnig geworden, verwahrt und vergessen, noch dreißig Jahre auf Burg Tickhill in England lebte.
Auf der anderen Seite stritt Karl von Blois, der französische Aspirant auf die Herzogswürde, ein Neffe Philipps VI., dem der französische König nachdrücklich beisprang. Karl hatte Jeanne de Penthièvre, eine Nichte des verstorbenen Herzogs, geheiratet und war ein besonders guter Katholik, weshalb er auch auf dem Schlachtfeld starb und selig wurde. Nach Barbara Tuchman, der bedeutenden Historikerin, wurde er sogar heiliggesprochen, wenn auch Papst Gregor XI. die Heiligkeit nicht gelten ließ und sie – auf Betreiben des jüngeren Johann von Montfort – wieder zurückgenommen hat. 17
Die Einleitung eines Kanonisationsverfahrens begann schon wenige Jahre nach Karls Schlachtentod. Sein Kult, besonders durch Franziskaner angeheizt, blühte, denn schließlich stand der Blois, »Vater eines Bastards«, bereits sein ganzes Leben im Ruch der Heiligkeit. Er lebte in Kleidern voller Läuse, geißelte sich blutig mittels Roßhaar und Kieselsteinen, pilgerte barfuß zu Reliquien durch Schnee und Eis, beichtete Abend für Abend seine Sünden, nächtigte auf Stroh vor dem Bett seiner (verkrüppelten) Gattin.
Fehlten dem Seligen darüber hinaus auch »herausragende Fähigkeiten«, war er doch ein »hoheitsvoller, ritterlicher und frommer Fürst« (Leguay), der das Diesseits zwar verachtete, sich aber nach neunjähriger Gefangenschaft für ein immenses Lösegeld von 700000 Gulden freikaufen ließ; der es auch fertigbrachte, mit seinen Schleudermaschinen die Köpfe von dreißig Kriegsgefangenen über die Stadtmauern von Nantes zu befördern. Ja, er krönte, fromm und selig, seine siegreiche Belagerung von Quimper durch das Abschlachten von zweitausend Einwohnern jeden Alters und Geschlechts. Dann aber unterlag und fiel er selbst in der Schlacht von Auray 1364, worauf das Haus Montfort die Macht übernahm.
Die Zeit war gewalttätig, wild, und die Hierarchen des Christentums hatten die Grausamkeit abgesegnet, nicht einmal, sondern immer und immer wieder. »Die Folter«, schreibt Barbara Tuchman, »war von der Kirche autorisiert und wurde regelmäßig von der Inquisition benutzt, um Ketzereien aufzudecken. Die zivile Gerichtsbarkeit belegte als schuldig überführte Angeklagte mit Strafen wie Handabhacken, Ohrenabschneiden, sie ließ ihre Opfer verhungern, verbrennen, häuten und in Stücke reißen. Es war eine alltägliche Sache, Verbrecher gegeißelt, gestreckt und am Schindanger erhängt zu sehen. Man sah abgeschlagene Köpfe und gevierteilte Körper, die auf Stangen über der Stadtmauer zur Schau gestellt wurden. In jeder Kirche gab es Bilder von Heiligen, die die verschiedensten grausamen Martyrien erlitten hatten – durch Pfeile, Speere, Feuer, Dornen –, alles war in Blut getaucht. Blut und Grausamkeit waren ein allgegenwärtiges Element der christlichen Kunst, sogar ein zentrales, denn Christus wurde zum Erlöser und die Heiligen heilig nur dadurch, daß sie unter den Händen ihrer Mitmenschen Gewalt erlitten hatten.« 18
Die Schlacht von Poitiers
Wie sehr Frömmelei und Töten im christlichen Abendland zusammengehören, lehrt auch eine Schlacht des Hundertjährigen Krieges, die bereits in den Pontifikat Innozenz' VI. fällt, die Schlacht von Poitiers am 19. September 1356.
Gewiß eilte Kardinal Élie de Talleyrand – einst anscheinend in den Mordfall des Andreas von Ungarn verwickelt (S. 17) und ausgestattet mit nicht weniger als 31 Benefizien (darunter sieben Archidiakonate) – nebst Begleitung auf Maultieren von Heerhaufen zu Heerhaufen, um im Auftrag seines Herrn einen Waffenstillstand zu vermitteln. Der Kardinallegat und weitere Papstgesandte hatten dies schon seit Jahresbeginn versucht, wünschte Innozenz doch dringend die
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