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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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schon bei seinem Amtsantritt die an der Kurie erledigten oder sonst reservierten Benefizien auf zwei Jahre, und Clemens wiederholte dies regelmäßig.
    In England – nirgends, sagt Ranke, hatten die Päpste »größeren Einfluß gehabt, mit den Pfründen willkürlicher geschaltet« – führte die Praxis dieser Geldeinziehung schon 1343 zur Empörung. Allein die Summen für dem Erwerb vakanter Pfründen, so protestierte das Parlament an der Themse, überstiegen die Einkünfte des Königs um das Fünffache! Auf Vorhaltungen erklärte Clemens: »Predecessores nostri nesciverunt esse papa« (Unsere Vorgänger verstanden es nicht, Papst zu sein). Well roared, lion. 29
    Dabei verurteilte er, wie so viele Päpste, laufend Dinge, die er selber trieb – wie in puncto sexti, so auch pekuniär gesehen. 1344 bekundete er dem Prager Bischof Arnest tiefen Abscheu vor den vielen Minderjährigen in seiner Diözese, denen durch Gewalt oder Geld kirchliche Benefizien beschafft worden waren. Der nämliche Papst aber hatte erst kurz zuvor in Frankreich fünf Kindern ein und derselben Familie – elf, zehn, neun, acht und sieben Jahre alt, die Dispens zur Übernahme von Domherrenstellen und sonstigen Pfründen erteilt. Doch da man ihn in Böhmen offenbar finanziell übergangen, befahl er jetzt Bischof Arnest, die Minderjährigen abzusetzen, sie zu zwingen, sich mit der päpstlichen Kammer über alle Einkünfte zu verständigen und, nachdem man sie genügend ausgenommen, wieder in ihre Ämter einzuführen. 30
    Natürlich gab es noch andere Erwerbsmethoden.
    In Erinnerung an den großen Segen des anno 1300 von Bonifaz VIII. geschaffenen Heiligen Jahres, wobei die Priester Tag und Nacht mit Rechen das Geld einstrichen (VII 397), erlaubte jetzt auch Clemens ein solch besonderes Jahr. Ursprünglich zwar sollte es nur je zur Jahrhundertwende stattfinden, aber schon am 27. Januar 1343 rief der Papst in der Bulle »Unigenitus« für 1350 ein neues »Jubeljahr« mit reichen Ablässen unter Berufung auf Mose aus.
    Dabei faßte Rom die Pilger gar nicht; kein Wunder. Statt zwei Millionen Menschen in heidnischer Zeit, bewohnten es jetzt 17000, höchstens 20000. Die Straßen verwüstet, die Paläste zertrümmert, überall Spuren des Bürgerkriegs. Kühe weideten in Kirchen das Unkraut ab, selbst in St. Peter grasten die Schafe. Wie die Stadt, ruiniert, verarmt, nach tausendjähriger Papstherrschaft nur ein welthistorischer Schuttplatz noch, im »Jubeljahr« aussah, schildert Petrarca, der sie – zum fünften Mal – im Herbst 1350 wiedersah. »Die Häuser liegen nieder, die Mauern fallen, die Tempel stürzen, die Heiligtümer gehen unter, die Gesetze werden mit Füßen getreten. Der Lateran liegt am Boden, und die Mutter aller Kirchen steht ohne Dach dem Winde und dem Regen offen. Die heiligen Gräber der Apostel Petrus und Paulus wanken, und was der Tempel der Apostel war, ist ein gestaltloser Trümmerhaufen, selbst steinerne Herzen zum Mitleid rührend.«
    Das alles aber tat dem Festgepränge so wenig Abbruch wie die Pest (VII 435 f.), die vielmehr die Kirche, wie jedes Menschenunglück, nur noch reicher machte, da ihr nicht wenige Infizierte vor lauter Höllenängsten Hab und Gut hinterließen. So machte St. Germain l'Auxerrois in Paris, nach 78 Erbschaften in den vorausgehenden acht Jahren, jetzt 49 Erbschaften allein in neun Monaten. Und Siena setzte im Herbst 1348 seine Zuwendungen an kirchliche Vereine für zwei Jahre aus, weil diese durch Vermächtnisse »so immens reich und wahrhaftig fett geworden«.
    In Lübeck legten die Christen 1347 ihre Schätze auf den Altarstufen nieder. Auch warfen sie ihr Geld den ängstlich sich einschließenden Religiösen über die Mauer. In Augsburg stiftete man im 14. Jahrhundert so viel für Altäre, Glocken, Messen, daß der Senat zugunsten der rechtmäßigen Erben eintreten mußte. Nach Jakob Twinger von Königshofen, dem geistlichen Chronisten Straßburgs, wurden dort 1381 »die Kirchen all so rich, das men die alten Kirchen ... abbebrach und nuwe witer Kirchen dar machte.«
    Im übrigen gab der Klerus damals und noch im 18. Jahrhundert, als 1720 die Seuche in Marseille grassierte, diese selbstredend als Gottesstrafe aus, als Folge allerhöchster Verärgerung durch Theater, Oper, Kleiderluxus, durch die zumal in Frankreich en vogue gewordenen, geil nach oben zugespitzten Schnabelschuhe (in Deutschland Kraniche genannt).
    Gottes Stellvertreter indes tröstete teilnehmend den wegsterbenden Anhang,

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