Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
verfügt hatte« (Wetzer/Welte), war aber nicht bereit, die Rechte des Reiches zu mindern – holte er am Gründonnerstag 1346 zum letzten Schlag gegen ihn aus.
Er verurteilte Ludwig jetzt endgültig, schmähte ihn »Ketzer«, »Antichrist«, erklärte ihn feierlich für exkommuniziert, abgesetzt, erklärte ihn für ehr- und rechtlos, auch seine Söhne und Enkel für unfähig zu jedem kirchlichen wie weltlichen Amt. Und da Clemens seinen einstigen Zögling und Jugendfreund Karl schon länger als neuen Herrscher vorgesehen, dieser ihm auch in Avignon Versprechungen über Versprechungen gemacht – mehr als jeder seiner Vorgänger, da Karl besonders das päpstliche Bestätigungsrecht bejaht, auch den Besitzstand des Kirchenstaates eidlich verbürgt hatte –, forderte der Papst nun von den Kurfürsten seine Wahl, die auch am 11. Juli 1346 zu Rhens mit der Mehrheit von fünf Stimmen erfolgte. Mit dem neuen Gegenkönig aber und dessen einstweilen nicht großen Chancen nahm Clemens einen neuen Bürgerkrieg in Kauf, den nur Ludwigs IV. plötzlicher Tod verhindert hat (VII 500 f.). 33
Und fünf Jahre später starb auch der Papst.
Kurz zuvor hatte er seinen Prälaten noch einmal ins Gewissen geredet, als sie ihn drängten, die Bettelorden aufzulösen. Und täte er's, sagte er, »was könnt ihr den Menschen predigen? Demut? Ihr seid der Stolz selbst, aufgeblasen, pompös, verschwenderisch. Armut? Ihr seid so habgierig, daß alle Reichtümer der Welt euch nicht zufriedenstellen könnten. Keuschheit? Davon wollen wir schweigen, denn Gott weiß, was jeder von euch tut und wie viele von euch ihre Lust befriedigen.«
Gewiß, ein redegewandter Pontifex. Doch wie mußte wohl die Moralpauke dessen wirken, der all das, was er so versiert an seinem Klerus geißelte, selbst bis zum Exzeß getrieben, der selbst verschwenderisch, selbst habgierig, selbst wollüstig wie nur irgendsonst ein geiler Bulle war?
Und genauso verpuffte sein Eintreten für die zur Pestzeit von den Christen besonders gern geschlachteten Juden (VII 435 ff.!).
Im Jahre 1348 hatte er für sie, was ihn ehrt, in mehreren Erlassen Partei ergriffen (vgl. dazu VII 440 ff.!), hatte er ihre Zwangstaufe verboten, ihre Beraubung und Tötung ohne Gerichtsverfahren, auch die Massaker als »schreckliche Dinge« mißbilligt und den Greuelmärchen über sie »keinerlei Plausibilität« zuerkannt. Was half's! Weit namhaftere Christen hatten die Judenhysterie seit der Antike geschürt. Und sollte man ausgerechnet auf diesen Hirten hören?! Schon im Januar 1349 wurde die ganze jüdische Gemeinde von Basel lebendig verbrannt, im Februar auch die ganze jüdische Gemeinde von Straßburg (VII 437!), noch im selben Jahr die Judenschaft von Antwerpen und von Brüssel ausgerottet etc. 34
Clemens VI. starb nach kurzer Krankheit im Dezember 1352 und wurde in La Chaise-Dieu (ein ihm wahrhaft angemessener Name) bestattet. Zudem ruhte er, seinem Lebensstil gemäß, unter 44 Marmorsäulen und genoß so, zwar zurückgezogen, doch exklusiv, die ewige Ruhe bis 1562. Dann haben Hugenotten all die Pracht demoliert und Clemens' letzte Reste verbrannt. 35
2. Kapitel
Innozenz VI. (1352–1362) und der Beginn des
Hundertjährigen Krieges
(1338–1453)
»Der Kreuzzug war zugleich das höchste Ziel des ernsten und frommen Papstes Innozenz VI., der aus diesem Grunde so hartnäckig versucht hatte, zwischen Frankreich und England Frieden zu stiften.«
Barbara Tuchman 1
»Es sind jetzt mehr als tausend Jahre her, seit diese Gebiete und Städte den Priestern geschenkt worden sind, und seit jener Zeit sind ihretwegen die blutigsten Kriege ausgetragen worden, und trotzdem besitzen die Priester sie weder heute in Frieden, noch werden sie sie jemals in Frieden besitzen können. Wahrlich, es wäre besser in den Augen Gottes und der Welt, wenn diese Hirten gänzlich auf die weltliche Herrschaft (dominium temporale) verzichten würden: denn seit der Zeit Silvesters hatte die weltliche Macht unzählige Kriege und die Vernichtung von Völkern und Städten zur Folge. Wie ist es möglich, daß nie ein guter Papst aufgetreten ist, der solche Mißstände abstellte, und daß um dieser vergänglichen Besitzungen willen so viele Kriege geführt worden sind?«
Giovanni de' Mussi Chronik von Piacenza, um 1350 2
Der Hundertjährige Krieg beginnt (1338–1453)
Ausgebrochen war diese Katastrophe, »Guerre de Cent ans«, ein Etikett wahrscheinlich erst aus dem 19. Jahrhundert, infolge eines territorialen Problems,
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