Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
wyr«. 40
    Nach einer Aufforderung, seine Ansichten zum Alten Testament zu begründen, verfaßt Luther 1523 seine Schrift »Daß Jesus Christus ein geborner Jude sei«. Wieder liest man Judenfreundliches, gelegentlich mit scharfer antikatholischer Polemik gewürzt. So wenn er den Papisten vorhält, sie seien bisher mit den Juden verfahren, daß ein guter Christ lieber Jude, und er, wäre er Jude gewesen, lieber eine Sau geworden wäre als Christ. »Denn unsere narren die Bepste, Bischoff, Sophisten und Munche, die groben esels kopffe, haben bis her also mit den Juden gefaren, das, wer eyn gutter Christ were geweßen, hette wol mocht eyn Jude werden. Und wenn ich eyn Jude gewesen wäre und hette solche tolpell und knebel gesehen den Christen glauben regirn und leren, so were ich ehe eyn saw geworden denn eyn Christen.«
    Daß er strittige Bibelfragen stets in seinem Sinn auslegt, erstaunt gewiß nicht, vertritt er doch die alleinseligmachende Wahrheit ebenso wie die Juden sie vertreten oder die Katholiken. Aber es frappiert, mit welchem Pharisäismus – die gute römische Schule – er die Interpretatio Christiana handhabt, er das heilige Buch der Juden als christliches ausgibt (vgl. I 121 f.!). Sind ja auch die alttestamentlichen Frommen für ihn fraglos Christen. Immerhin verlangt er, die Juden unter den Christen leben und arbeiten zu lassen, sie brüderlich in »christlicher Liebe« anzunehmen, und geißelt die über sie kursierenden Greuelmärchen, den Kinderraub, die Ritualmorde, Brunnen Vergiftung, Hostienschändung und derlei »Narrenwerk mehr« als Lug und Trug. 41
    Warum aber diese lutherische Freundlichkeit gegenüber den von der Christenheit seit je so verachteten, so gehaßten Juden? Warum diese schöne reformatorische »Toleranz«? Nun, der Menschenfänger macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, er gibt selbst, und nicht nur einmal, die Antwort, hofft er doch, »wenn man mit den Juden freuntlich handelt und aus der heyligen schrifft sie seuberlich unterweyßet, es sollten yhr viel rechte Christen werden und widder tzu yhrer vetter, der Propheten und Patriarchen glauben tretten«.
    Das war es in der Tat: Luther wollte Proselyten machen. Wollte seinen Anhang, wie begreiflich, vergrößern. Die Bekehrung der Juden, bloße Konversionsobjekte, war das eigentliche Motiv seines Schreibens. Ihr Schicksal betraf den Verfasser kaum, aber der Fortschritt der Reformation. Hätte er doch den verhaßten Papismus gar nicht mehr ausstechen, die Überlegenheit seiner Lehre gar nicht mehr beweisen können als durch einen Missionserfolg in wenigen Jahren, durch einen Sieg, der dem Papsttum in Jahrhunderten verwehrt worden war.
    So kümmerte er sich selbst nachdrücklich um die Verbreitung des neuen Werkleins, propagierte es sogar von der Kanzel herab. Und hatte Glück. Nicht weniger als neun Auflagen erlebte es noch 1523. Im nächsten Jahr wird eine lateinische Übersetzung in Augsburg zweimal aufgelegt, 1525 kommt eine andere lateinische Übertragung in Straßburg heraus. Vielleicht haben sogar die Juden selbst das Bekanntwerden des Traktats gefördert. Noch in Jerusalem werden Luthers Bücher gekauft. Und seine Methode der Judenbekehrung fand Anklang, fand begeisterten Beifall. 42
    Aber der Autor hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der buchhändlerische Erfolg wurde kein missionarischer. Seine ganze Liebesmüh, nicht überwältigend, doch immerhin bemerkenswert und auch bemerkt, war umsonst. Er hatte die Juden nicht überzeugt, nicht ihr Vertrauen gewonnen. Was konnte der gute Christ nun tun, als straffere Saiten aufziehen? Die Juden statt der erhofften Kombattanten der Reformation zu deren Opfern machen? In den folgenden Jahren, in denen er unterschiedliche, teilweise vielleicht auch nur fiktive, legendäre Begegnungen mit Juden hat, ist die Zahl ihrer Taufen nicht größer als vor der Reformation, sein Bekehrungsversuch also offensichtlich gescheitert, seine Einstellung zu ihnen wechselhaft, schwankend, wieder schlechter. Bereits Anfang der dreißiger Jahre sieht er sich »und unsere Religion« durch jüdische Täuflinge so verhöhnt, daß er droht, falls er noch einen frommen Juden zu taufen finde, wolle er ihn mit den Worten »Ich taufe dich im Namen Abrahams« mit einem Stein um den Hals von der Elbbrücke stoßen.
    Und als 1536 Johann Friedrich der Großmütige, Kurfürst von Sachsen und Luthers Landesherr, die Juden per Edikt besonders rücksichtslos aus seinem Territorium ausweist, tut Luther nicht das

Weitere Kostenlose Bücher