Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
letztemal am 15. Februar 1546, drei Tage vor seinem Tod. Und wie er infolge seiner katholisch-klerikalen Erziehung gegen »Ketzer« und Hexen sowohl emotional wie geistig stark eingestimmt war, so auch gegen die Juden. Auch wenn er sie in seiner Frühzeit fast ausschließlich aus Büchern, der Bibel, der Theologie kannte, muß ihn die allgemeine judenfeindliche Stimmung geprägt haben, erst recht die antijüdische katholische Theologie. Und theologisch ist Luther im Grunde stets antijüdisch, beherrscht nämlich von dem Glauben: Die Juden sind gottlos, weil sie die »Erlösung« durch Jesus Christus verwerfen.
Der Reformator konnte ja wirklich nicht spurlos den Händen der Katholiken entkommen. Er hatte die Schule der Franziskaner in Magdeburg, die Lateinschule der Barfüßer in Eisenach, hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Universität Erfurt besucht und war 1505 dort als Mönch in das Kloster der Augustiner-Eremiten eingetreten. In dieser Zeit hat er wohl alle antijüdischen Ansichten und Argumente der mittelalterlichen Theologie kennengelernt. In dieser Zeit fanden auch, wie freilich seit langem schon, fortgesetzte Judenvertreibungen statt, 1492 aus Spanien und Mecklenburg, 1493 aus Magdeburg, 1495 aus Reutlingen, 1496 aus Portugal, Kärnten, Steiermark und Krain, 1499 aus Nürnberg, im gleichen Jahr aus Ulm, 1506 aus Nördlingen, ebenso aus Colmar. 38
Schon in Luthers erster Psalmenvorlesung zwischen 1513 und 1515 an der Wittenberger Universität schlägt die Animosität voll durch, spielt beispielsweise die den Juden angelastete Kreuzigung Jesu – ein uraltes, wahrhaft evangelisches Motiv christlicher Judenfeindschaft! – eine zentrale Rolle. Zwar haben sie einst Jesus nicht buchstäblich gekreuzigt, aber innerlich, willentlich, wie sie ihn, recht verstanden, noch immer kreuzigen, wie sie, durch ihre Schriftauslegung, auch ihre Propheten und Schriftgelehrten weiter geißeln, steinigen, töten. »Sie bespucken, kreuzigen und töten die Heilige Schrift wie einst den irdischen Christus, mehr noch, sie verwüsten sich selber mit ihren Lehren weit schlimmer, als es die Römer physisch taten, und metzeln beständig durch ihre Christus verneinende Lehre die ihnen anvertrauten Seelen nieder« (von der Osten-Sacken).
Diese Juden sind für den vorreformatorischen Luther »Blutmänner«, ein ganzer »Blutacker«, »eine Synagoge Satans bis auf den heutigen Tag«. Könnten sie, rissen sie »die Christen mit ihren Zähnen in Stücke«. Schon in seiner ersten Psalmen Vorlesung werden die Juden weidlich verunglimpft, werden sie eifrige Lügner, ihre Schriften voller Lügen, voller Verdrehungen der Bibel geschimpft und ihre Märtyrer als Heuchler hingestellt, die nur aus purem Egoismus freudig stürben.
Bei seiner Auslegung von Psalm 77,66 – von ihm selbst übersetzt »Vnd schlug seine Feinde im Hindern (in posteriora) / Vnd henget jnen eine ewige Schande an« –, verweilt er in dem bei ihm so beliebten Rektalbereich und schreibt: »ihre hinteren Teile sind der Ruf ihrer Werke, der bereits durch die Welt modert und stinkt, seit das Evangelium offenbart ist. Und ihre Rekta stecken heraus, weil das Evangelium selbst das geheimste Böse ihres Herzens bekannt macht, (nämlich) wie beschaffen sie im Innern sind ...«
Auch in den folgenden Jahren finden sich immer wieder scharfe Ausfälle gegen die Verhaßten, prahlt Luther etwa, trotz ihrer vielen Mühen und Gebete seien sie »allen Völkern auf der ganzen Welt zum Zertreten dahingegeben, wie der Kot auf der Gasse ...« 39
Doch dann ändert er anscheinend seine Haltung. In der Römerbriefvorlesung 1515/1516 beginnt er ihre Diffamierung zu kritisieren und vorsichtig für sie einzutreten, nicht nur für die alttestamentlichen, auch für die lebenden Juden, wobei er nach seiner Überzeugung kurioserweise dem Apostel Paulus folgt, der doch als erster den christlichen Kampf gegen die Juden eröffnet und ihn zeitlebens fortsetzt, der sie im ältesten Zeugnis des Neuen Testaments verdammt sein läßt »bis ans Ende der Welt«, ja für den ihr ganzer geistiger und religiöser Besitz »Dreck« ist (I 124 ff.!).
Die Juden, heißt es jetzt bei Luther, sind nicht von Gott verstoßen, nicht alle verworfen, ein Teil wird schon vor der Endzeit gläubig und gerettet, ja zuletzt »wird ganz Israel gerettet werden«. Schließlich sind die Juden »von dem geblutt Christi«, »sind blut freund, vettern und bruder unsers hern«, und so gesehen seien »die Juden Christo mehr tzu denn
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