Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Edelsten sozusagen, die »Blume der Ritterschaft«, die Zierde des Hosenbandordens, der seinerseits unter der Schutzherrschaft des hl. Georg stand.
Auch jetzt, im Spätsommer 1356, befand sich der Schwarze Prinz auf einem Streifzug, einer »chévauchéez« in den Norden. Da aber sein beutebeladenes Heer der ihm zuletzt tagelang folgenden, noch völlig unverbrauchten französischen Armee zahlenmäßig sehr unterlegen war, wollte er eine Schlacht unbedingt vermeiden, bis es einfach unmöglich war und er dem versammelten Adel zurief: »Ihr Herren, blickt auf mich! Mit Gottes Gnade denkt an den Angriff! Vorwärts im Namen Gottes und des heiligen Georg!« 20
Viele Tausende kamen um, darunter allein 2426 Adlige. Alles andere zählte man nicht, und es zählte ja auch nicht; schon gar nicht die Pferde, in deren ungepanzerte Rümpfe die englischen Langbogenschützen befehlsgemäß ihre Pfeile jagten, worauf die zusammenbrechenden Tiere ihre Reiter unter sich begruben oder zu Tode trampelten. (Tiere dienten der mittelalterlichen Christenheit nur zur Arbeit, zum Fraß oder zum blutigen Ergötzen; indem man etwa eine angenagelte, sich in panischem Schmerz windende und kümmerlich wehrende Katze so lange mit dem bloßen Kopf berannte, bis sie tot war. Oder ein Schwein so lang Spießruten laufen ließ, bis es unter dem Gelächter der Schaulustigen entseelt zusammenbrach.)
Als bei Poitiers die Pfeile verschossen wurden und waren, flohen ganze Bataillone, andere kämpften mit Streitaxt und Schwert, mit kurzen Lanzen, Messern, kämpften Mann gegen Mann. »Einige, denen die Bäuche aufgeschlitzt worden waren, traten auf ihre eigenen Gedärme, andere spuckten ihre ausgeschlagenen Zähne aus, einigen, die noch standen, wurde der Arm abgeschlagen. Die Sterbenden rollten im fremden Blut, die Gefallenen stöhnten, und die stolzen Geister, die ihre Körper verließen, seufzten schrecklich.«
König Johann ergab sich und landete Monate später mit dem Schwarzen Prinzen in England, wo er eine dreieinhalbjährige Gefangenschaft in Windsor verbrachte – mit vielen Würfelspielen, Jagden und Hoffesten. 21
Ohne Zweifel ging es dem König in der Gefangenschaft um einiges besser als jenseits des Meeres seinen Untertanen in der »Freiheit«. Das gilt besonders von den Bauern, außer gefangenen »Ketzern« und Tieren nicht nur seinerzeit die geschundensten Geschöpfe – und gewöhnlich mehr als 90 Prozent der Gesamtbevölkerung. Aber »das Volk« lebte anonym, starb anonym, bekam weder dauerhafte Grablegen noch Einträge ins Totenbuch. 22
3. Kapitel
Christliches Bauernelend und mönchisches Glück
»Bei der Ausbildung des Feudalismus spielten Gewalt, Erpressung, Druck, ideologisch-religiöser Zwang und soziale Not, spielten die oppressiones, verbunden mit dem Einsatz staatlicher und kirchlicher Machtmittel, eine tragende Rolle. Gleichzeitig war die ökonomisch-soziale Attraktion der Grundherrschaft und des Herrendienstes voll wirksam.«
Eckhard Müller-Mertens 1
»Schon die allernotwendigsten Lebensvoraussetzungen waren prekär: die geringen Ernteerträge, die einseitige Ernährung – die Skelette frühmittelalterlicher Friedhöfe weisen auf Vitamin- und Eiweißmangel hin –, die erbärmliche Kleidung, die ungesunden Wohnverhältnisse, die mangelnde Hygiene, das gänzliche Fehlen einer medizinischen Versorgung. Die Folge war eine oft schreiende Not: Hunger und Kälte, Verelendung und Verschuldung, dazu häufig körperliche Schäden wie Blindheit, Taubheit, Gicht, Lähmung, unheilbare Wunden und nicht zuletzt Geisteskrankheiten. Jederzeit hatte man den Verlust von Haus und Hof oder der Eltern bzw. des Ehepartners zu gewärtigen, auch den Verlust der Freiheit oder Vertreibung und Verbannung. Mit einem Schlag konnten die Lebensgrundlagen verloren gehen ... Ein Heer von Heruntergekommenen, deren Leben zutreffend nur als Vegetieren bezeichnet werden kann, bevölkerte die mittelalterliche Welt: übelriechend, unansehnlich, mit Geschwüren bedeckt, von Gebrechen entstellt und notgedrungen zudringlich. Viele der Großen, selbst Bischöfe, hielten sich gelegentlich die andrängenden Bettlerscharen mit Hunden vom Leibe.«
A. Angenendt 2
»Besondere Methoden wandten die geistlichen Feudalherren an, um die in wirtschaftliche Not geratenen Bauern zur Übergabe ihres Eigentums an die Kirche zu bewegen. Sie gingen hierbei weniger mit Gewalt als vielmehr mit List und Betrug vor, versprachen den Tradenten ewige Seligkeit, drohten den Widerspenstigen
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