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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Gott, natürlich – »als der Kleriker, der den ganzen Tag in der Kirche singe und nachts zur Mette wache«. Auch Belästigungen solle man ertragen, selbst Unrecht, und bloß nicht den Zehnt verweigern, denn das heiße Gott betrügen, sei nicht gewöhnlicher Diebstahl, sei Gottesraub. »Gute Leute«, eifert ein Pfaffe, »gebt eurem irdischen Herrn, was ihr ihm schuldig seid. Ihr schuldet ihm Zinse, Dienste und Steuern. Gebt sie am rechten Ort und zur rechten Zeit vollständig und unverkürzt.« Und Thomas von Cantimpré, Albertus-Magnus-Schüler, wahrscheinlich Generalprediger auch der Dominikaner, berichtet von einem Bäuerlein, einem oft nächtelangen Beter, der sich's selbst vom Mund absparte, um anderen Armen helfen zu können. 28
    Gut, gut, so hat es Mutter Kirche gern. Und erinnert's denn nicht bereits an jenes Idol, das sie schuf? Jenen gar wackeren, so tugendhaften wie strebsamen Helden der Arbeit, den hl. Isidor (Fest 15. Mai), Stadtpatron von Madrid und Patron der Bauern? Attribute: nicht Hammer und Sichel zwar, doch Sense schon, Mistgabel, Dreschflegel, Rosenkranz »und manchmal auch ein Kruzifix« (Keller). Der heilige Bauer stirbt um 1130, und selbstverständlich stirbt er »eines heiligen Todes«, wird aber, Gott weiß warum, erst ein halbes Jahrtausend später kanonisiert.
    Und alles, was die Welt von ihm weiß, stammt aus der »Vita et miracula auctore Johanne diacono« des 13. Jahrhunderts. Zu Beginn und am Schluß erscheint darin der Bauernstand als das notwendigste Geschäft der menschlichen Gesellschaft, und von Anfang bis Ende ist die krasse Propagandafunktion dieser Figur evident. Als Kind armer, doch frommer Eltern zu Madrid geboren, wächst Isidor gleichfalls arm und gleichfalls fromm heran, lindert noch die Not anderer Armer, indem er mit ihnen Lohn und Schüssel teilt. So ist's recht. Als sie einmal leer ist, füllt »ein Wunder der göttlichen Liebe den Topf ...« Doch wunderbarer noch: Vom Morgengrauen an schuftet er und macht seine Sklavendienste »zu gottseligen Handlungen, zum Gottesdienste«. Und am allerschönsten: »Je schwerer und mühesamer die Arbeit war, desto freudiger unternahm er sie, und desto mehr Geduld hatte er, um sich dadurch gute Werke zu sammeln. Wollte es ihm gar zu hart ankommen, so stellte er sich Jesum am Kreuze vor, wie sauer Er es Sich habe werden lassen, um die Schuld und die ewige Strafe unserer Sünden zu büßen. Während seine Hand den Pflug führte, unterhielt sich sein Herz mit Gott.«
    Ja, die Hand am Pflug, das Herz beim Herrn, bei dem im Himmel und, wer weiß, vielleicht noch mehr bei dem auf Erden. Und das Lexikon für Theologie und Kirche, das sich mit knappen sechs Zeilen über den hl. Isidor bescheidet, schließt: »Schon zu Lebzeiten wundertätig. Sein unversehrt erhaltener Leib ruht noch heute in der Kathedrale von Madrid ...« 29 Nun, da mache man denn bald eine Bußwallfahrt guten alten Stils dorthin, vergewissere sich aber erst der Authentie der Ablaß-Taxen, damit man nicht am Ende auch noch düpiert dasteht.

»Jeder muß sein eigener Ochse sein«?

    Die Massen waren somit bestens metaphysisch präpariert. Sie ermöglichten es der Elite, ringsum heilige Kriege zu führen, indem sie dafür zwar nicht heilige, doch höchst heilsame Hilfe leisteten, die »Mitwirkung an Gottes Heilsplan« – ein wahrer Segen, zumindest für die Führer; ansonsten, was die Arbeit angeht, steht's bei Hiob 7 anders.
    Im Laufe des Frühmittelalters hatte sich der Feudalismus immer mehr entwickelt, der weltliche wie geistliche Großgrundbesitz noch gesteigert. Die Kirche war Adelskirche, der Episkopat mit der Aristokratie eng verwandt, versippt, verfilzt (IV 9. Kap.!), und mit dem ständigen Wachsen des Besitzes wuchsen natürlich auch die Scharen der Arbeitenden, Abhängigen. Denn nahm auch die Sklaverei im strengen Sinn, die alte »Latifundien-Sklaverei«, ab (obwohl sie gerade im mediterranen Europa bis tief in die Neuzeit bestand), die Zahl der Unfreien und Halbfreien nahm zu. Eine große Kirche hatte hunderte, eine Bischofskirche tausende von Höfen mit 12000 bis 48000 botmäßigen Leuten. Die Bischofsstädte aber lebten überwiegend von ihrem Landproletariat, und in mancher Bischofsstadt waren sogar die Bürger grundhörig und leibeigen. 30
    Noch glänzender als den Kirchen ging es den Klöstern. War das Mönchtum doch überhaupt ein besonderes Macht- und Propagandainstrument der Kirchenführer, der Päpste und Patriarchen, schon seit dem 5. Jahrhundert, seit

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