Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
»Weil wir nach der Tradition der Väter wissen, daß die Güter der Kirche Gelöbnisse der Gläubigen, Lösegelder von den Sünden und das Vermögen der Armen darstellen, so wünschen wir nicht nur einer jeden Kirche das Ihrige zu erhalten, sondern mit Gottes Hilfe noch vieles hinzuzufügen.« 25
Doch dafür sorgten diese Kirchen auch selbst, hatte die Kirche seit je gesorgt, indem sie in den Schädeln der ihr Hörigen jenes dumpfe geistferne Klima schuf, das die Unterjochten in der aufgebürdeten Herrschaft und ihren Schrecken eine Prüfung durch Leid, eine Verheißung auf jenseitigen Lohn, eben die berühmte gottgewollte Ordnung wähnen und dies lange, lange unbeirrt auch glauben ließ. Natürlich kannte nicht nur ein wacher, Leben und Leistung der feudalabhängigen Bauern bemerkenswert realistisch beurteilender Kopf wie im 11. Jahrhundert Bischof Adalbero von Laon den Nutzen der Unfreien. »Sie sind es«, gesteht der treffliche Karikaturist des cluniazensischen Mönchtums unter dem hl. Abt Odilo, »die allen Nahrung und Kleidung liefern; denn kein freier Mann ist fähig, ohne sie zu leben.« Auch Adalberos Zeitgenosse Abbo I., Abt von Fleury, 1004 bei Inspektion des Priorats La Réole (Gironde) durch aufsässige Mönche erschlagen, versichert von den unfreien Bauern, durch ihre Arbeit werde »die gesamte Kirche unterhalten«.
Aber dies hatte die allerhöchste Weisheit seit Ewigkeit so vorbestimmt, hatte gewollt, »daß unter den Menschen die einen Herren, die anderen Knechte seien«. So lehrt es die Catholica seit je, so lehren ihre Päpste noch im 20. Jahrhundert, und so läßt das Gewissen sich, wenn es sich denn regt, doch nicht regen soll, wunderbar beruhigen. Es war gottgewollt, daß die Armen, mit Jakob von Vitry, diesem First-class-Kreuzzugs-Fahrer (VII 218 f.), zu sprechen, »ihren Lebensunterhalt mit ihrer Hände Arbeit verdienen, ihnen aber nichts übrig bleibt, wenn sie gegessen haben«. Dies konnte man, wie der Bischof von Rennes, Étienne de Fougères, beklagen, doch gleichzeitig den Nutzen der körperlichen Arbeit preisen und alle, die sie verrichteten, verachten.
Ackerbau galt im Mittelalter als servilia opera, als Knechtsarbeit und unehrenhaft. 26
Der hl. Isidor
Der christliche Bauer, kein Zweifel, wurde von weltlichen wie geistlichen Herren verachtet, und er verachtete, verabscheute sie auch seinerseits. Erzbischof Bezelin Alebrand von Hamburg-Bremen, »geschmückt mit Vorzügen aller Art ... ein Vater des Vaterlandes, eine Zierde der Geistlichkeit und des Volkes Heil«, ein bei Adam von Bremen überschwenglich gepriesener Hierarch, der kaum ein übles Wort über den Klerus ertrug, ließ Bösewichter vor seinen Augen mit Ochsenziemern prügeln. Ja, sein Nachfolger Erzbischof Adalbert traktierte jene derart manchmal sogar selbst.
»Der Bauer haßt die Kirche«, sagt lapidar ein französischer Text, und »Der Winsbecke«, ein deutsches Lehrgedicht aus dem 13. Jahrhundert, bekundet dasselbe. Nur zu begreiflich der Seufzer jenes freien Landmanns beim Anblick eines hohen Herrn, den er zur Kirche eilen sieht: »Dieser da ißt heut abend ein fettes Huhn, das genügen würde, alle meine Kinder zu ernähren.«
Dem Bauern wurde der Reinigungseid verwehrt, das Waffenführen verboten. »Am Sonntag«, befiehlt die stark verbreitete Kaiserchronik aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, »soll er zur Kirche gehen und in der Hand einen Stock haben. Trägt er aber ein Schwert, so soll man ihn binden, ihn zum Kirchenzaun führen und ihm Hut und Haar abschlagen.« 27
Wohl ließ sich auch, und besonders durch die Geistlichkeit, Gutes über den Geplagten kolportieren, durfte man die »pauperes et miserabiles« viel fleißiger nennen »als die Mönche in ihren Klöstern und die Kleriker in ihren Kirchen«, durfte man sagen: »Alles, was ein Bauer in einem ganzen Jahr mit unverdrossener Arbeit gewonnen hat, verschwendet der Herr in einer Stunde.« Aber das stand doch bloß auf Papier, in Bullen, Statuten. Die Praxis sah anders aus, und gewöhnlich auch die Predigt. Immer und immer wieder nämlich hieß es da: Pflicht zum Gehorsam, Pflicht zu Fron, zu Mühsal, Pflicht zur immerwährenden Arbeit für den himmlischen, den irdischen Herrn. Schicke Gott ja alle, weiß 816 das Konzil von Aachen, für die er keine Freiheit bestimme, aus Barmherzigkeit in die Knechtschaft, um so die »servi« durch die Autorität des Herren zu zügeln.
Ja, dienen solle der Bauer, Buße tun. Doch habe er nicht weniger Verdienst – bei
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