Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
vielgepriesen und verdammt.
Man ist voll des Lobes für das mäzenatische Engagement der meisten Hierarchen, ihre Protektion zumal der Architektur und Malerei. Tausend- und abertausendmal gewürdigt kontrastiert dieses Verdienst jedoch kraß mit den Grundlagen des Christentums. Denn mit dessen ältester Botschaft, der Predigt des biblischen Jesus, die doch die Heiligen Väter angeblich vertreten und verbreiten, hat dies gar nichts zu tun. Oder wo hätte dieser Jesus je gerufen: Laßt Künstler um mich sein!? Laßt Päpste teuere Paläste, schöne Kathedralen bauen!? Treibt Philologie, schafft Bibliotheken, verfaßt Gedichte und komponiert Kirchenmusik!? (Musik, beiläufig, spielt im Zentrum der Renaissancekunst noch im 14. Jahrhundert, im Unterschied zu Paris, keinerlei Rolle. Noch Johannes XXII. bekämpft die »Ars nova« und bedroht 1324/1325 in der Bulle »Docta sanctorum« die Aufführung der neuen Musik in der Kirche mit Kirchenstrafen.)
Der biblische Jesus, dessen Reich »nicht von dieser Welt« war, für den deren Ende vielmehr unmittelbar bevorstand und darum »nur eines« not tat, hatte überhaupt keinen Sinn für Geistesleben, Wissenschaft und Kunst, was lange nachwirkt. Noch im frühen 3. Jahrhundert fragt Kirchenvater Clemens von Alexandria, wie könne denn ein Werk der Baumeister-, der Steinmetzen-, der Handwerkerkunst überhaupt heilig sein? Und Tertullian erklärt seinerzeit Künstler kurzerhand für Söhne des Teufels. 8
Vielgescholten werden die Renaissance-Päpste in sittlicher Hinsicht. Doch mag nicht wenigen, mit mir, prinzipiell ein im Vatikan oder sonstwo herumvögelnder Pontifex immer noch hundertmal lieber sein als ein rigoroser Asket, der Tausende unschuldiger Menschen auf Scheiterhaufen, in Kriege und Folterkammern schickt. Auch ist ein Papst, der aus seiner Unzucht kein Geheimnis macht, immer noch sympathischer als ein öffentlich den Unschuldsengel spielender Hurenbock.
Nikolaus V. (1447–1455), »der liberalste aller Päpste«
Wenn die Frührenaissance, in Italien die Zeit des 15. Jahrhunderts, auch schon an den Höfen Martins V. und Eugens IV. unübersehbare Spuren hinterließ, als erster Papst der Epoche gilt Nikolaus V., der einstige Arztsohn Tommaso Parentucelli aus Sarzana bei La Spezia.
Der mittellose Hauslehrer war bei reichen Florentinern, den Albizzi, den Strozzi, mit führenden Gelehrten und Musensöhnen der Arnostadt, dem Mittelpunkt der vordringenden Renaissance, bekannt geworden. Und das glanzvolle Jubeljahr 1450 brachte nicht nur die Pest (bei der sich der Papst in Fabriano einschloß und die Annäherung an sein Refugium bei Todesstrafe verbot), brachte nicht nur mancherlei Unglück (wie das der zweihundert auf der Engelsbrücke zertretenen oder in den Tiber geschleuderten Menschen). Es brachte auch einen ameisenhaften Andrang von Pilgern, volle Kassen und die Möglichkeit, die päpstliche Stadt, während der avignonesischen Epoche fast zum Dorf geworden, jetzt herrlich wieder aufzubauen.
Nikolaus führte in der Mitte des Quattrocento Renaissancegeist in seinen Hof ein. Er förderte Humanisten und Künstler, darunter der freigeistige Lorenzo Valla, Autor ebenso musterhafter wie explosiver Publikationen gegen Scholastik, Mönchswesen, herrschendes Recht, das profane Papstregiment.
Noch unter Martin V. und Eugen IV. hatte Valla vergeblich in kuriale Dienste zu treten versucht. Dann lieferte er als Sekretär König Alfons' V. von Neapel in seiner Schrift »De falso credita et ementita Constantini donatione Declamatio« den Fälschungsnachweis für die Konstantinische Schenkung (IV, 14. Kap.!). Der Protagonist philologischer Textkritik machte dieser »schon schwer angeschlagenen Sache« nun »mit einem einzigen Hieb den Garaus« und kanzelte den Fälscher als »stockdumm«, »Rindvieh«, »Esel« ab, als einen Unglücksraben, der zwar den guten Willen zum Betrügen habe, nicht aber das Talent.
Ulrich von Hutten edierte das Werk 1517 in Basel. Valla indes, von den Franziskanern der »Ketzerei« bezichtigt, mußte aus Neapel fliehen, wurde 1450 in Rom Professor für Rhetorik und 1455, unter Calixt III. – päpstlicher Sekretär.
Nikolaus V. gab auch Anregungen für die bildende Kunst, die Architektur. Fra Angelico arbeitete für ihn, ebenso Benozzo Gozzoli, Angelicos Gehilfe, auch Bernardo Rossellino und besonders Leon Battista Alberti, Verkörperung des »uomo universale«, der Architekt und große Gelehrte, Verfasser u.a. der ersten italienischen Grammatik, der
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