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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Ende März widerstandslos. 6
    Auf dem Vormarsch nach Süden in Richtung Silistra blieben die Russen in den Sumpfgebieten des Donaudeltas stecken, wo so viele ihrer Landsleute 1828/29 durch Cholera und Typhus dahingerafft worden waren. In dieser spärlich besiedelten Gegend gab es keine Lebensmittel für die Angreifer, die bald von Hunger und Krankheit heimgesucht wurden. Von 210 000 russischen Soldaten in den Fürstentümern ging es 90 000 im April so schlecht, dass sie nicht mehr kämpfen konnten. Ihre Rationen aus Trockenbrot waren so wenig nahrhaft, dass nicht einmal Ratten und Hunde sie anrühren wollten (laut Aussage eines französischen Offiziers, der zurückgelassene Rationen in dem Festungsort Giurgewo entdeckte, nachdem die russischen Streitkräfte im Sommer 1854 zurückgewichen waren). Ein deutscher Arzt in der Armee des Zaren meinte, »die schlechte Qualität des Essens, das den russischen Soldaten gewohnheitsmäßig aufgetischt wird«, sei einer der Hauptgründe dafür, dass sie »starben wie die Fliegen«, sobald sie verwundet wurden oder erkrankten. »Der russische Soldat hat ein so schwaches Nervensystem, dass er durch den Verlust von ein paar Unzen Blut umfällt und häufig an Wunden stirbt, die, würden sie Personen mit einer besseren Verfassung zugefügt, gewiss heilen würden.« 7
    Viele Soldaten beklagten sich in Briefen an ihre Angehörigen in der Heimat über die schrecklichen Bedingungen für die unteren Ränge und baten um Geld. Manche dieser Briefe wurden abgefangen und von der Polizei, die sie für eine politische Gefahr hielt, an Gortschakow weitergeleitet, wodurch sie im Archiv landeten. Diese schlichten Mitteilungen bieten einen einzigartigen Einblick in die Welt des einfachen russischen Soldaten. Grigori Subjanka, ein Fußsoldat in der 8. Husarenschwadron, schrieb seiner Frau Maria am 24. März:
    Wir sind in der Walachei an den Ufern der Donau und stehen unserem Feind auf der anderen Seite gegenüber … Jeden Tag wird über den Fluss hinweg geschossen, und jede Stunde und jede Minute erwarten wir zu sterben, aber wir beten zu Gott, dass wir gerettet werden, und an jedem Tag, der vergeht und an dem wir noch lebendig und gesund sind, danken wir Gott, dem Schöpfer aller Dinge, für diesen Segen. Aber wir müssen Tag und Nacht hungern und frieren, denn sie geben uns nichts zu essen, und wir überleben so gut wir können, indem wir für uns selbst sorgen, Gott helfe uns.
    Nikifor Burak vom 2. Bataillon des Tobolsker Infanterieregiments berichtete seinen Eltern, seiner Frau und seinen Kindern in dem Dorf Sidorowka in der Provinz Kiew:
    Wir sind nun sehr weit von Russland weg, die Umgebung ist überhaupt nicht wie Russland, wir sind fast in der Türkei, und in jeder Stunde warten wir auf den Tod. Ehrlich gesagt, fast unser ganzes Regiment ist von den Türken vernichtet worden, aber durch die Gnade des größten Schöpfers bin ich noch am Leben und wohlauf … Ich hoffe, in die Heimat zurückzukehren und Euch alle wiederzusehen. Ich werde mich Euch zeigen und mit Euch reden, aber nun sind wir in großer Gefahr, und ich habe Angst zu sterben. 8
    Während die russischen Verluste zunahmen, betrachtete Paskewitsch die Offensive immer kritischer. Obwohl er den Marsch auf Silistra ursprünglich befürwortet hatte, machte er sich Sorgen wegen der Massierung österreichischer Einheiten an der serbischen Grenze. Da die Briten und Franzosen jederzeit an der Küste landen konnten, da die Türken ihre Stellungen im Süden hielten und die Österreicher im Westen mobilmachten, bestand die Gefahr, dass die Russen in den Fürstentümern von feindlichen Heeren umzingelt wurden. Paskewitsch drängte den Zaren, den Rückzug anzuordnen. Ungeachtet des Befehls von Nikolaus, so schnell wie möglich vorzustoßen, verzögerte er die Offensive gegen Silistra, weil er fürchtete, bei einem Angriff der Österreicher keine ausreichenden Reserven zu haben.
    Paskewitsch war zu Recht besorgt über die Österreicher, welche die wachsende Bedrohung Serbiens durch Russland erschrocken beobachteten. Sie hatten ihre Truppen an der serbischen Grenze mobilisiert, um etwaige serbische Aufstände zugunsten der Russen niederschlagen und russische Streitkräfte abwehren zu können, die sich den von Habsburg kontrollierten serbischen Gebieten von Osten her näherten. Das Frühjahr hindurch verlangten die Österreicher einen russischen Rückzug aus den Fürstentümern und drohten, sich andernfalls mit den Westmächten zusammenzutun. Die

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