Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Türken. »Turkos«, erwiderte er nur, mit zusammengebissenen Zähnen und in einem Tonfall, der dem ersten Baschi-Basuk, der ihm in die Hände fiel, nichts Gutes verhieß. 30
In jedem Ort und Dorf, durch welche die Russen zogen, schlossen sich ihnen weitere Flüchtlinge an, die Angst vor türkischer Rache hatten. Auf den Straßen spielten sich Szenen des Chaos und der Panik ab, während Tausende von bulgarischen Bauern mit ihrem Vieh die Dörfer verließen und sich zu den unablässig wachsenden Flüchtlingskolonnen gesellten. Die Straßen waren so sehr von Bauernwagen blockiert, dass sich der russische Rückzug verlangsamte und Gortschakow daran dachte, die Bulgaren zurücktreiben zu lassen. Seine Führungsoffiziere stimmten ihn jedoch um, und am Ende wurden etwa 7000 bulgarische Familien nach Russland evakuiert. Tolstoi schilderte die Situation, die er in einem Dorf vorfand, in einem Brief an seine Tante, den er am 19. Juli nach seiner Ankunft in Bukarest schrieb:
Ein Dorf, das ich öfter vom Lager aus aufsuchte, um Milch und Früchte zu besorgen, wurde auf diese Weise [von den Türken] zerstört. Sobald also der Fürst [Gortschakow] den Bulgaren kund tat, dass jeder, der Lust hätte, die Donau mit der Armee zu überschreiten, russischer Untertan werden könne, erhob sich das ganze Land und alles stürmte mit Frauen, Kindern, Pferden, Vieh zur Brücke. Da es nicht möglich war, alle mitzunehmen, sah sich der Fürst genötigt, die Zuletztgekommenen abzuweisen. Man muss gesehen haben, wie schwer ihm das fiel! Er empfing alle Deputationen der Unglücklichen, sprach mit jedem, bemühte sich, ihnen die Unmöglichkeit ihres Vorhabens klarzumachen, schlug ihnen vor, die Fuhren und das Vieh zurückzulassen, während er die Sorge um ihren Unterhalt, bis zum Moment, wo sie nach Russland kommen würden, auf sich nehmen wollte. Er bezahlte, aus eigenen Mitteln, Schiffe für die Ueberfahrt, kurz, er tat alles Mögliche für das Wohl dieser Leute. 31
In Bukarest herrschte ein ähnliches Durcheinander. Viele der unzufriedenen russischen Soldaten nutzten die Gelegenheit zu desertieren und versteckten sich in der Stadt, woraufhin die Militärbehörden der Bevölkerung mit harschen Strafen drohten, wenn sie Deserteure nicht auslieferte. Die walachischen Freiwilligen, die sich den Russen nach der Besetzung des Fürstentums angeschlossen hatten, schwanden nun dahin; viele von ihnen flohen nach Süden zu den Alliierten. Beim Verlassen der Stadt bedachten die Russen die »verräterischen Walachen« in einem Manifest des Zaren mit einer düsteren Warnung:
Seine Majestät der Zar glaubt nicht, dass sich jene, die sich zur selben Religion bekennen wie der orthodoxe Kaiser, einer Regierung, die nicht christlich ist, unterwerfen können. Wenn die Walachen das nicht begreifen, weil sie zu stark von Europa beeinflusst werden und sich falschen Überzeugungen hingeben, kann der Zar trotzdem nicht der Mission entsagen, mit der Gott ihn als Führer der Rechtgläubigen betraut hat: nämlich der, all jene, die sich zum wahren christlichen Glauben bekennen, also die Griechen, für immer von der Oberhoheit der Osmanen zu befreien. Dieser Gedanke beschäftigt den Zaren seit dem Beginn seiner glorreichen Herrschaft, und der Moment ist gekommen, da Seine Majestät ein seit vielen Jahren geplantes Projekt verwirklichen wird, unabhängig davon, was die machtlosen europäischen Staaten, die einem falschen Glauben anhängen, beabsichtigen mögen. Die Zeit wird kommen, da die rebellischen Walachen, die sich den Zorn Seiner Majestät zugezogen haben, teuer für ihre Untreue bezahlen werden.
Am 26. Juli wurde die Proklamation vor den versammelten Bojaren in Bukarest von Gortschakow verlesen, der seine eigenen Abschlussworte hinzufügte: »Meine Herren, wir verlassen Bukarest vorläufig, doch wir hoffen, bald zurückzukehren – denken Sie an 1812.« 32
Die Nachricht vom Rückzug war ein gewaltiger Schock für die Slawophilen in Moskau und St. Petersburg, die den russischen Vormarsch auf dem Balkan als Befreiungskrieg für die Slawen betrachtet hatten. Nun verzweifelten sie, da ihre Ideale anscheinend aufgegeben worden waren. Konstantin Aksakow hatte von einer slawischen Föderation unter russischer Führung geträumt und erwartet, dass am Ende des Krieges ein Kreuz auf der Hagia Sophia in Konstantinopel aufgepflanzt würde. Nun erfüllte ihn der Rückzug von der Donau »mit Gefühlen des Abscheus und der Scham«, wie er seinem Bruder Iwan schrieb:
Es ist
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