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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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des Minié-Gewehrs:
    Wenn die britischen Soldaten sich selbst überlassen waren, um die Rolle von Scharfschützen zu spielen, zögerten sie nicht unter Feuer und benötigten keine Befehle und keine Aufsicht. Damit [mit dem Minié-Gewehr] ausgerüstete Männer waren von Selbstbewusstsein erfüllt, nachdem sie die Präzision und ungeheure Reichweite ihrer Waffe entdeckt hatten … Unsere Infanterie konnte den Feind mit ihren Musketen nicht über eine Entfernung von mehr als 300 Schritten erreichen, während er aus 1200 Schritten auf uns feuerte. Der Feind, völlig überzeugt von der Überlegenheit seiner Handfeuerwaffen, vermied den Nahkampf; wann immer unsere Bataillone angriffen, zog er sich auf eine gewisse Distanz zurück und feuerte eine mörderische Salve ab. Wenn unsere Kolonnen den Angriff fortsetzten, mussten sie schreckliche Verluste hinnehmen. Es war ihnen unmöglich, den überwältigenden Kugelhagel zu durchdringen, und sie mussten zurückweichen, bevor sie den Feind erreichen konnten.
    Ohne Verschanzungen zum Schutz ihrer Infanterie und Artillerie waren die Russen nicht in der Lage, ihre Positionen auf den Anhöhen gegen die tödlichen Minié-Gewehre zu verteidigen. Bald wurde das Feuer der Gardisten durch das der 2. Division unter Evans an der britischen rechten Flanke verstärkt. Sein 30. Regiment konnte die Kanoniere von drei russischen Batterien vom Flussufer aus erkennen und sie mit ihren Minié-Gewehren erschießen, ohne dass die Russen auch nur wussten, woher das Feuer kam. Während die russische Infanterie und Artillerie zurückwich, rückten die Briten langsam den Hügel hinauf vor, wobei sie über die toten und verwundeten Feinde hinwegstiegen. »Die meisten Verwundeten riefen nach Wasser«, schrieb der Gemeine Bloomfield. »Ein Mann aus meiner Kompanie gab einem verwundeten Russen etwas Wasser zu trinken, und als er ihn zurückließ, stützte sich der Russe auf den Ellbogen, nahm seine Muskete in die Hand und schoss auf den Mann, der ihm geholfen hatte. Die Kugel pfiff dicht an dessen Kopf vorbei. Er drehte sich sofort um und durchbohrte den Russen mit seinem Bajonett.« Gegen 16 Uhr näherten sich die Briten den russischen Positionen aus allen Richtungen: Die Gardisten zur Linken machten die letzten russischen Reserven auf dem Kurgan-Hügel nieder, Codringtons Männer und die anderen Gardisten schoben sich dicht an die Große Redoute heran, und die 2. Division arbeitete sich an der Sewastopoler Straße vor. Da die Franzosen die Klippen über der Alma besetzt hatten, war die Schlacht unzweifelhaft gewonnen. 24
    Mittlerweile waren auf russischer Seite Anzeichen von Panik zu erkennen, während der Feind näher rückte und die vernichtende Wirkung seines Präzisionsgewehrs deutlich wurde. Priester gingen durch die Reihen, um die Soldaten zu segnen, und die Männer beteten mit wachsender Inbrunst, während berittene Offiziere die Knute einsetzten, um sie voranzupeitschen. Doch im Allgemeinen fehlte es den russischen Befehlshabern an Autorität. »Niemand gab Anweisungen, was zu tun sei«, berichtete Chodasiewicz. »In den fünf Stunden der Schlacht sahen und hörten wir nichts von unserem Divisions- oder Brigadegeneral oder Obersten. Wir erhielten keine Befehle von ihnen, entweder vorzurücken oder uns zurückzuziehen, und als wir den Rückzug antraten, wusste niemand, ob wir uns nach rechts oder links wenden sollten.« Der betrunkene Kirjakow erteilte den allgemeinen Befehl, die linke Seite der Anhöhen aufzugeben, doch dann verlor er die Nerven und verschwand mehrere Stunden lang (später fand man heraus, dass er sich in einem Erdloch versteckt hatte). Damit blieb es seinen Offizieren überlassen, den Rückzug von den Hügeln zu organisieren, aber »es fiel uns äußerst schwer, Ordnung unter unseren Männern zu halten«, erinnerte sich Chodasiewicz, der drohen musste, »den ersten Mann umzuhauen, der aus der Reihe tritt« – eine Drohung, die er mehrere Male wahr machen musste.
    Ziellos flohen die Russen in alle Richtungen und rannten den Hügel hinunter ins Tal, um dem Feind zu entkommen. Berittene Offiziere versuchten vergeblich, die panische Flucht zu unterbinden, indem sie die Männer peitschten wie Cowboys, die eine Viehherde zusammentrieben. Doch die Soldaten hatten jegliche Geduld mit ihren Kommandeuren verloren. Chodasiewicz hörte ein Gespräch zwischen zwei Männern:
    Erster Soldat: »Ja, während der Kämpfe haben wir nichts von diesen Herrschaften [den Offizieren] gesehen, aber nun

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