Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
hatte, doch es schien in rätselhafter Stille zu geschehen – sie verschwanden und blieben zurück, während wir weitergingen.« 22
Unter schwerem Beschuss erreichten die Männer den Fluss und kamen in Gruppen am Rand des Wassers zusammen, um ihr Gepäck abzuladen, da sie nicht wussten, wie tief der Fluss war. Ihre Gewehre und Patronentaschen über den Kopf hebend, wateten einige zum anderen Ufer, aber andere mussten schwimmen, und manche ertranken in der schnellen Strömung. Gleichzeitig beschossen die Russen sie mit Kartätschen und Granaten. Vierzehn russische Kanonen befanden sich auf den Erdwällen und 24 auf beiden Seiten der Straßenbrücke. Als der Gemeine Bloomfield in der Nähe der Brücke an der Alma ankam, »war der Fluss rot vor Blut«. Viele Soldaten waren zu verängstigt, um in das mit Leichen übersäte Wasser zu steigen. Sie drängten sich am Ufer, während Offiziere hin und her galoppierten, auf die Männer einbrüllten, zur anderen Seite zu schwimmen, und manchmal sogar drohten, sie mit ihren Säbeln niederzuschlagen. Nachdem sie den Fluss überquert hatten, ging jegliche Ordnung verloren. Kompanien und Regimenter vermischten sich miteinander, und aus zwei Mann tiefen Reihen war nichts als eine Menschenmenge geworden. Die Russen eilten auf beiden Seiten der Großen Redoute den Hügel hinunter und feuerten auf die Briten. Deren berittene Offiziere trieben die Männer an, sich neu zu formieren. Aber die Soldaten waren nach der Überquerung des Flusses zu erschöpft und blieben im Schutz des Flussufers, wo sie von den Anhöhen aus nicht gesehen werden konnten. Manche setzten sich hin und holten ihre Wasserkanister hervor; andere begannen, Brot und Fleisch zu essen.
Generalmajor Codrington, der die 1. Brigade der Leichten Division befehligte, war sich der Gefahr der Situation bewusst und unternahm einen verzweifelten Versuch, seine Männer neu zu formieren. Er gab seinem weißen Araberhengst die Sporen, jagte den Hügel hinauf und schrie die Infanteristen an: »Bajonette aufpflanzen! Das Ufer rauf und vorwärts zum Angriff!« Bald kletterte Codringtons gesamte Brigade – die Regimenter bunt durcheinandergewürfelt – in einer dichten Menge den Kurgan-Hügel hinauf. Subalternoffiziere versuchten nicht mehr, Linien zu bilden – dazu fehlte die Zeit – , sondern drängten ihre Männer: »Nun kommt schon!« Nachdem sie auf die offenen Hänge geklettert waren, rannten die meisten Männer unter Gebrüll auf die russischen Geschütze in der 500 Meter hügelaufwärts gelegenen Großen Redoute zu. Die russischen Kanoniere staunten beim Anblick dieser britischen Horde – 2000 Mann, die den Hügel hinaufstürmten – und fanden mühelos ihre Ziele. Ein Teil der Vorhut der Leichten Division erreichte die Verschanzungen der Großen Redoute. Soldaten kletterten über die Brüstungen und durch die Schießscharten, nur um von den Russen, die hastig ihre Kanonen zurückzogen, niedergeschossen oder umgehauen zu werden. Innerhalb von Minuten wimmelte es in der Großen Redoute von Männern, die auf den Brüstungen kämpften oder jubelnd ihre Fahnen schwenkten, als zwei russische Kanonen in alldem Durcheinander erbeutet wurden.
Plötzlich jedoch standen die Briten vier Bataillonen (rund 3000 Mann) des Wladimir-Regiments gegenüber, die vom offenen höheren Terrain in die Redoute strömten, während weitere russische Kanonen von oben am Kurgan-Hügel Granaten abfeuerten. Mit einem lauten »Hurra!« stürmte die russische Infanterie, die Bajonette erhoben, voran, trieb die Briten den Hügel hinunter und beschoss sie beim Rückzug. Die Leichte Division machte kehrt, um sich zur Wehr zu setzen, doch plötzlich ertönte ein Signal, wiederholt von den Trompetern aller Regimenter, mit dem das Feuer eingestellt wurde. Ein paar fatale Augenblicke lang kam es zu einer versehentlichen Feuerpause auf britischer Seite: Ein ungenannter Offizier hatte die Russen mit den Franzosen verwechselt und seinen Männern befohlen, die Waffen ruhen zu lassen. Als man den Fehler korrigierte, hatten die Wladimir-Soldaten bereits die Oberhand gewonnen; sie marschierten stetig den Hügel hinunter, und überall lagen tote und verwundete Briten. Nun gaben die Trompeter tatsächlich den Befehl zum Rückzug, und die ganze Horde der Leichten Division (oder was noch von ihr übrig war) rannte bergab zum schützenden Flussufer.
Der Ansturm war unter anderem deshalb gescheitert, weil es keine zweite Welle gegeben hatte. Da weitere Befehle von Raglan
Weitere Kostenlose Bücher