Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
muslimischen Reiches der Welt weihten eine der heiligsten Moscheen in Gemächern ein, die westliche Architekten im Stil der ursprünglichen byzantinischen Kathedrale nachgebaut hatten, aus der die Moschee nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken entstanden war. Nach 1453 hatten die Osmanen die Glocken entfernt, das Kreuz durch vier Halbmonde ersetzt, den Altar und die Ikonostase beseitigt und die byzantinischen Mosaiken der orthodoxen Basilika im Lauf der folgenden zwei Jahrhunderte mit Gips überspachtelt. Die Mosaiken waren verborgen geblieben, bis die Brüder Fossati sie 1848 zufällig bei der Rekonstruktion der Verkleidung und des Verputzes entdeckten. Sie legten einen Teil der Mosaiken in der Nordgalerie frei und zeigten sie dem Sultan, der so beeindruckt von ihren leuchtenden Farben war, dass er anordnete, alle von der Gipsdecke zu befreien. Damit wurden die verborgenen christlichen Ursprünge der Moschee enthüllt.
Hagia Sophia, kurz nach 1850
Die Fossatis waren sich über die Wichtigkeit ihrer Entdeckung im Klaren und fertigten Zeichnungen sowie Aquarelle der byzantinischen Mosaiken an, die sie dem Zaren in der Hoffnung präsentierten, eine finanzielle Unterstützung für die Veröffentlichung ihrer Arbeit zu erhalten. Die Architekten waren zuvor in St. Petersburg tätig gewesen, und der ältere Bruder, Gaspare, war anfänglich nach Konstantinopel gekommen, um die russische Botschaft zu bauen, einen neoklassischen, 1845 fertiggestellten Palast; an dieser Arbeit hatte später auch Giuseppe mitgewirkt. Dies war eine Zeit, in der viele europäische Architekten Gebäude in der türkischen Hauptstadt errichteten, oftmals ausländische Botschaften, eine Zeit, in welcher der junge Sultan eine ganze Reihe liberaler Reformen unterstützte, um sein Reich dem Einfluss Europas zu öffnen und es auf den Weg der wirtschaftlichen Modernisierung zu bringen. Zwischen 1845 und 1847 beauftragte er die Fossatis, einen mächtigen, dreistöckigen Komplex für die Universität Konstantinopel zu bauen. Gänzlich im westlichen neoklassischen Stil gestaltet und ungünstig zwischen der Hagia-Sophia- und der Sultan-Ahmet-Moschee platziert, wurde die Universität im Jahr 1936 niedergebrannt. 2
Der Zar von Russland, Nikolaus I., musste sich eigentlich über die Entdeckung der byzantinischen Mosaiken freuen. Die Hagia Sophia bildete einen Mittelpunkt des religiösen Lebens im zaristischen Russland, basierte dieses doch auf dem Mythos, es sei der orthodoxe Nachfolger des Byzantinischen Reiches. Die Hagia Sophia war die Mutter der russischen Kirche, das historische Bindeglied zwischen Russland und der orthodoxen Welt des östlichen Mittelmeers und des Heiligen Lands. Laut der Primärchronik , der ersten schriftlich niedergelegten Geschichte der Kiewer Rus, die Mönche im 11. Jahrhundert zusammengestellt hatten, waren die Russen ursprünglich der Schönheit der Kirche wegen zum Christentum übergetreten. Die Emissäre des Großfürsten Wladimir, die auf der Suche nach dem wahren Glauben verschiedene Länder aufsuchten, berichteten über die Hagia Sophia: »Wir wussten nicht, ob wir uns im Himmel oder auf Erden befanden. Denn auf der Erde gibt es keinen solchen Glanz noch solche Schönheit, und es fällt uns schwer, sie zu beschreiben. Wir wissen nur, dass Gott dort unter ihnen weilt, und ihr Gottesdienst ist ansehnlicher als die Zeremonien anderer Nationen, denn wir können jene Schönheit nicht vergessen.« 3 Die Wiedererringung der Kirche blieb das ganze 19. Jahrhundert hindurch ein festes, fundamentales Ziel russischer Nationalisten und Religionsführer. Sie träumten von der Eroberung Konstantinopels und seiner Auferstehung als russische Hauptstadt (»Zargrad«) eines orthodoxen Reiches, das sich von Sibirien bis hin zum Heiligen Land erstreckte. Mit den Worten des führenden Missionars des Zaren, Archimandrit Uspenski, der die Kirchenmission von 1847 nach Jerusalem geleitet hatte: »Russland ist seit Menschengedenken dazu bestimmt, Asien zu erleuchten und die Slawen zu vereinen. Es wird ein Bündnis aller slawischen Rassen mit Armenien, Syrien, Arabien und Äthiopien geben, und sie werden Gott in der Heiligen Sophia preisen.« 4
Der Zar wies den Antrag der Fossatis auf eine Beihilfe zurück, die ihnen gestattet hätte, die Pläne und Zeichnungen der großen byzantinischen Kirche und ihrer Mosaiken zu veröffentlichen. Zwar brachte Nikolaus großes Interesse an ihrer Arbeit zum Ausdruck, doch war dies nicht der richtige
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