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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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abzuhalten, um die Ansichten der Bevölkerung in der Moldau und Walachei zu ergründen.
    Was die Frage des Schutzes für christliche Untertanen im Osmanischen Reich (den Vierten Punkt) anging, so trafen sich Vertreter der alliierten Mächte Anfang Januar in Konstantinopel mit Großwesir Ali Pascha und dem Tanzimat-Reformer Fuad Pascha (dem Delegierten des Sultans auf dem Pariser Kongress), um ihnen deutlich zu machen, wie wichtig es für die Hohe Pforte sei nachzuweisen, dass sie den Nichtmuslimen (auch den Juden) des Reiches volle religiöse und bürgerliche Gleichheit gewähren wolle. Stratford Canning, der Clarendon am 9. Januar Bericht über die Konferenz erstattete, war skeptisch, was das Engagement der türkischen Minister für Reformen anging. Seiner Meinung nach waren sie über die Einmischung vonseiten des Auslands verbittert und glaubten, dadurch werde die osmanische Souveränität untergraben. Insofern, so Canning, werde es schwierig sein, überhaupt einen Schutz für die Christen wirksam durchzusetzen. Die Türken hätten stets dem Glauben angehangen, dass die Christen minderwertig seien, und kein vom Sultan verabschiedetes Gesetz könne dieses Vorurteil in der kurzen Zeitspanne, die der Westen dafür veranschlagt habe, überwinden. »Wir müssen mit Verzögerungen infolge religiöser Antipathien, verbreiteter Vorurteile und unvereinbarer Traditionen rechnen « , schrieb der altgediente Diplomat. Zudem warnte er davor, dass das Erzwingen von Reformen zu einer Rebellion der Muslime gegen die Verwestlichungspolitik des Sultans führen könnte. Als Antwort auf einen 21 Punkte umfassenden Programmentwurf durch die Vertreter der Alliierten erließ der Sultan am 18. Februar den Hatt-i Hümayun. Darin versprach er seinen nichtmuslimischen Untertanen volle religiöse und gesetzliche Gleichheit, Eigentumsrechte und den rein leistungsabhängigen Eintritt in den osmanischen Militär- und Staatsdienst. Die Türken hofften, die Reform werde weitere europäische Einmischungen in osmanische Angelegenheiten verhindern. Aus Gründen der türkischen Souveränität wollten sie, dass der Hatt-i Hümayun von den Pariser Gesprächen ausgenommen wurde. Doch die Russen – die im Vierten Punkt als eine der fünf Großmächte genannt worden waren, welche die Sicherheit der christlichen Untertanen des Sultans garantieren sollten – bestanden darauf, dass man das Thema anschnitt. Sie waren am Ende zufrieden mit der Kompromisslösung – einer auch von der Hohen Pforte geteilten internationalen Erklärung zur Bedeutung der christlichen Rechte im Osmanischen Reich – und benutzten sie in ihrer heimatlichen Propaganda sogar als Symbol für ihren »moralischen Sieg « im Krimkrieg. Damit hatten sie insofern recht, als der Pariser Kongress den Status quo der Geburtskirche in Bethlehem und der Grabeskirche in Jerusalem wiederherstellte, wie es Russland – und oftmals der Zar persönlich – im Einklang mit den griechischen Ansprüchen gegenüber den römischen gefordert hatte. In einem Manifest, das am Tag der Unterzeichnung des Friedensvertrags veröffentlicht wurde, rief Alexander die Vorsehung an, die das Ereignis herbeigeführt habe, dessen Verwirklichung »der ursprüngliche und hauptsächliche Zweck des Krieges « gewesen sei, und fuhr fort: »Russen! Eure Anstrengungen und Eure Opfer waren nicht vergeblich. Das große Werk ist vollendet .« 5
    Schließlich galt es noch, die unausgesprochene Polen-Frage zu behandeln. Der Gedanke, Polen die Unabhängigkeit von Russland wiederzugeben, war unter den alliierten Diplomaten der Kriegszeit erstmals von Walewski geäußert worden, dem Sohn Napoleons I. mit der polnischen Gräfin Marie Walewska. Nach der Eroberung von Sewastopol wollte der französische Kaiser etwas für Polen tun, und ein unabhängiges polnisches Königreich entsprach dem napoleonischen Ideal eines neuen Europa auf der Grundlage von Nationalstaaten, zumal sich damit die Regelung von 1815 umstoßen ließ. Zunächst unterstützte Napoleon III . Czartoryskis Programm für die Wiederherstellung Kongresspolens, des autonomen, durch den Wiener Vertrag geschaffenen Königreichs, dessen Freiheiten die Russen untergraben hatten. Später, als man die Vorgespräche für den Kongress aufnahm und sich herausstellte, dass keine der anderen Mächte für Polen eintreten würde, sprach sich Napoleon für Czartoryskis verkürzte Liste von Bedingungen aus, die auf polnische Sprachenrechte und den Schutz Polens vor einer Russifizierung

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