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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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dem Hügel geschrieben sind. Dem Tor gegenüber – und nicht weit von ihm – steht ein großes Steinkreuz … Es gibt nur wenige Gedenksteine auf diesem Friedhof; einer ist ein steinernes Kreuz mit der Inschrift »Geweiht dem Andenken an Leutnant A. Hill, 22. Regiment, der am 22. Juni 1855 starb. Dieser Stein wurde von seinen Freunden auf der Krim errichtet .« Eine andere lautet: »Zum Gedenken an Oberstabsfeldwebel Rennie, 93. Hochländer. Errichtet von einem Freund .« … [Noch eine] gilt »Quartiermeister J. McDonald, 72. Regiment, der am 16. September mit fünfunddreißig Jahren an einer Verwundung starb, die er am 8. Dezember in den Schützengräben vor Sewastopol erlitt .« 10
    Der britische Friedhof in Cathcart’s Hill, 1855
    Nach dem Abzug der alliierten Armeen kehrten die Russen, die während ihrer Evakuierung in Richtung Perekop marschiert waren, in die südlichen Orte und Ebenen der Krim zurück. Die Schlachtfelder des Krimkriegs wurden wieder zu Acker- und Weideland. Vieh zog über die Friedhöfe der Alliierten hinweg. Allmählich erholte sich die Krim von den wirtschaftlichen Schäden des Krieges. Sewastopol wurde wiederaufgebaut. Man reparierte Straßen und Brücken. Aber in anderer Hinsicht hatte sich die Halbinsel für immer verändert.
    Besonders auffällig erschien, dass die Tatarenbevölkerung weitgehend verschwunden war. Kleine Gruppen hatten ihre Höfe zu Beginn des Konflikts verlassen, doch ihre Zahl war gegen Kriegsende gewachsen, da sie Vergeltungsmaßnahmen der Russen nach dem Abzug der Alliierten fürchteten. Solche Maßnahmen hatte das russische Militär bereits für die Gräueltaten in Kertsch eingeleitet, indem es Massenverhaftungen vornahm, Eigentum beschlagnahmte und »verdächtige « Tataren standrechtlich erschoss. Die Bewohner des Baidar-Tals ersuchten Codrington, ihnen beim Verlassen der Krim zu helfen, denn sie rechneten mit dem Schlimmsten, wenn ihre Dörfer den Russen in die Hände fielen, »da unsere frühere Erfahrung mit ihnen uns kaum einen Grund gibt, auf gute Behandlung zu hoffen « . Weiter hieß es in ihrem Bittgesuch, das einer ihrer Ortsschreiber verfasst und ins Englische übersetzt hatte:
    Als Dank für die Güte, die uns die Engländer erwiesen haben, würden wir eher aufhören, uns an Gott zu erinnern, als Ihre Majestät Königin Viktoria und General Codrington zu vergessen, für die wir fünf Mal am Tag beten werden, sooft die mohammedanische Religion uns gebietet, unsere Gebete zu sprechen. Und unsere Bitten, sie und die ganze englische Nation zu erhalten, werden an unsere Kindeskinder weitergegeben werden.
    Unterzeichnet im Namen der Priester, Adligen und Bewohner der folgenden zwölf Dörfer: Baidar, Sagtik, Kalendi, Skelia, Sawatka, Baga, Urkusta, Usunju, Bujuk Luskomija, Kiatu, Kutschuk Luskomiga, Warnutka. 11
    Codrington tat nichts, um den Tataren zu helfen, obwohl sie den Alliierten während des gesamten Krimkriegs Proviant, Spione und Transportmittel zur Verfügung gestellt hatten. Der Gedanke, die Tataren vor russischen Vergeltungsmaßnahmen zu schützen, kam den alliierten Diplomaten nie in den Sinn, denn sonst hätten sie eine stärkere Klausel über deren Behandlung in den Friedensvertrag aufnehmen können. Artikel V des Pariser Vertrags verpflichtete alle kriegführenden Nationen, »diejenigen ihrer Untertanen, die sich der aktiven Teilnahme an den militärischen Angelegenheiten des Feindes schuldig gemacht zu haben scheinen, bedingungslos zu begnadigen « – eine Klausel, die scheinbar nicht nur die Krimtataren, sondern auch die Bulgaren und Griechen des Osmanischen Reiches in Schutz nahm, die während des Donaufeldzugs Partei für die Russen ergriffen hatten. Doch Graf Stroganow, der Generalgouverneur Neu-Russlands, fand eine Möglichkeit, den Artikel zu umgehen, indem er behauptete, die Vertragsrechte der Tataren seien verwirkt, wenn diese durch das Verlassen ihres Wohnsitzes ohne Genehmigung durch die Militärbehörden russisches Gesetz gebrochen hätten – wozu Zehntausende während des Krimkriegs gezwungen gewesen waren. Mit anderen Worten, jeder Tatar, der seine Heimat ohne einen Stempel in seinem Pass verlassen hatte, wurde von der russischen Regierung als Verräter eingestuft und war mit Verbannung nach Sibirien zu bestrafen. 12
    Während die alliierten Armeen mit der Räumung der Krim begannen, ließen die ersten großen Tatarengruppen die Halbinsel ebenfalls hinter sich. Am 22. April brachen 4500 Tataren per Schiff von Balaklawa nach

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