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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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fruchtbaren Bodens angelockt oder durch Sonderrechte für den Eintritt in städtische Zünfte und Körperschaften, die Neuankömmlingen gewöhnlich nicht offenstanden. Armenier und Griechen verwandelten Sewastopol und Jewpatorija in bedeutende Handelszentren, während ältere Tatarenorte wie Kefe (Theodosia), Gözlewe und Bachtschisserai einen Niedergang erlebten. Viele der ländlichen Einwanderer waren Bulgaren oder andere christliche Flüchtlinge aus Bessarabien, also aus Gebieten, welche die Russen nach dem Krimkrieg an die Türken abgetreten hatten. Sie wurden von der Regierung in 330 Dörfern untergebracht, die früher den Tataren gehört hatten, und erhielten finanzielle Hilfe, um Moscheen zu Kirchen umzubauen. Gleichzeitig wurden viele Tataren, welche die Krim verlassen hatten, auf den von Christen aufgegebenen Ländereien in Bessarabien angesiedelt. 15
    Überall am Schwarzmeerrand hatte der Krimkrieg zur Folge, dass ethnische und religiöse Gruppen entwurzelt wurden und umsiedelten. Sie überquerten die Religionsgrenze, die Russland von der muslimischen Welt trennte, in beide Richtungen. Griechen emigrierten zu Zehntausenden aus der Moldau und Bessarabien nach Südrussland. In die entgegengesetzte Richtung, aus Russland in die Türkei, zogen wiederum Zehntausende polnischer Flüchtlinge und Soldaten, die in der Polnischen Legion (als sogenannte osmanische Kosaken) auf der Krim und im Kaukasus gegen Russland gekämpft hatten. Sie wurden von der Hohen Pforte in türkischen Teilen der Dobrudscha-Region im Donaudelta, in Anatolien und anderen Gegenden angesiedelt, während manche nach Adampol (Polonezkoi) verschlagen wurden, der polnischen Niederlassung, die Adam Czartoryski, der polnische Emigrantenführer, 1842 am Rand von Konstantinopel gegründet hatte.
    An der anderen Schwarzmeerküste verließen Zehntausende von christlichen Armeniern ihre Heimat in Anatolien und wanderten in das von Russland kontrollierte Transkaukasien aus. Sie fürchteten, dass die Türken sie als Verbündete der Russen einstufen und bestrafen würden. Der europäische Ausschuss, den man im Rahmen des Pariser Vertrags ernannt hatte, um die russisch-osmanische Grenze festzulegen, fand armenische Dörfer »halb bewohnt « und Kirchen in einem Zustand des »fortgeschrittenen Verfalls « vor. 16
    Unterdessen wurden noch größere Zahlen von Tscherkessen, Abchasen und anderen muslimischen Stammesangehörigen durch die Russen aus ihrer Heimat vertrieben, denn diese verschärften nach dem Krimkrieg ihren Feldzug gegen Schamil und betrieben eine gezielte Politik der, wie man heute sagen würde, »ethnischen Säuberung « , um den Kaukasus zu christianisieren. Der Feldzug wurde in erster Linie durch die strategischen Erfordernisse ausgelöst, welche die Pariser Regelung im Schwarzen Meer geschaffen hatte: Dort konnte die Royal Navy ungehindert agieren, während die Russen keine Möglichkeit besaßen, sich in ihren verletzlichen Küstengebieten gegen die feindselige muslimische Bevölkerung zu verteidigen. Deshalb konzentrierten sie sich zunächst auf das fruchtbare Tscherkessien im westlichen Kaukasus, also auf ein der Schwarzmeerküste nahes Territorium. Russische Soldaten überfielen muslimische Dörfer, schlachteten Männer und Frauen ab und zerstörten Höfe und Häuser, um die Dorfbewohner zum Abzug zu zwingen, wenn sie sich nicht dem Hungertod ausliefern wollten. Man stellte die Tscherkessen vor die Wahl, entweder nach Norden in die Ebenen am Kuban zu ziehen – weit genug entfernt von den Küstengegenden, so dass sie im Falle einer Invasion keine Bedrohung darstellten – oder aber ins Osmanische Reich auszuwandern. Zehntausende ließen sich im Norden nieder, doch genauso viele Tscherkessen wurden von den Russen zu den Schwarzmeerhäfen getrieben, wo man sie, nachdem sie mitunter wochenlang unter entsetzlichen Bedingungen an den Docks gewartet hatten, auf türkische Schiffe verlud und nach Trapezunt, Samsun und Sinope in Anatolien brachte. Die osmanischen Behörden waren auf den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen nicht vorbereitet, von denen im Übrigen mehrere Tausend innerhalb weniger Monate nach ihrer Ankunft in der Türkei Seuchen zum Opfer fielen. Bis 1864 hatte man die gesamte muslimische Bevölkerung Tscherkessiens schließlich fortgeschafft. Der britische Konsul C. H. Dickson erklärte, man könne einen ganzen Tag lang durch einst tscherkessische Gegenden wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen. 17
    Danach waren die

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