Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
abchasischen Muslime an der Reihe, die damals in der Region Suchumi-Kale siedelten, wo die russische »Säuberungskampagne« im Jahr 1866 begann. Die Taktik war im Wesentlichen die gleiche wie jene, die man gegen die Tscherkessen angewandt hatte, allerdings mit dem Unterschied, dass die Russen diesmal aus Furcht um die Wirtschaft sämtliche arbeitsfähigen Männer zurückhielten und nur Frauen, Kinder und Greise aus ihrer Heimat vertrieben. Der britische Konsul und Arabist William Gifford Palgrave, der Abchasien bereiste, um Informationen über die »ethnische Säuberung« zu sammeln, schätzte, dass drei Viertel der muslimischen Bevölkerung zur Emigration gezwungen worden waren. Insgesamt wurden, wenn man sowohl Tscherkessen als auch Abchasen berücksichtigt, rund 1,2 Millionen Muslime in dem Jahrzehnt nach dem Krimkrieg aus dem Kaukasus vertrieben. Die meisten siedelten ins Osmanische Reich um. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in diesen beiden Regionen über zehnmal mehr neue christliche als einheimische muslimische Bewohner. 18
    * * *
    Als Zeichen seiner Absicht, religiöse Toleranz einzuführen, erklärte sich der Sultan im Februar 1856 bereit, zwei ausländische Bälle in der türkischen Hauptstadt zu besuchen: den einen in der britischen, den anderen in der französischen Botschaft. Es war das erste Mal in der Geschichte des Osmanischen Reiches, dass ein Sultan Einladungen zu christlichen Unterhaltungsveranstaltungen in der Residenz eines ausländischen Botschafters angenommen hatte.
    Abdülmecid trug bei seiner Ankunft in der britischen Botschaft den Hosenbandorden, der ihm ein paar Wochen vorher zur Feier des alliierten Sieges verliehen worden war. Botschafter Stratford Canning empfing den Sultan an der Tür seiner Kutsche. Während er ausstieg, übermittelte man ein elektrisches Signal an die im Bosporus ankernde britische Flotte, die daraufhin mit einer anhaltenden Geschützsalve salutierte. Dann begann der Kostümball, zu dem allerlei falsche Prinzen, Piraten, Musketiere, Tscherkessen und Schäferinnen erschienen waren. Lady Hornby schrieb am folgenden Tag ihre Eindrücke nieder:
    Ich würde einen ganzen Tag benötigen, um nur die Hälfte der Kostüme aufzuzählen. Aber alle, die die bals costumés der Königin besucht hatten, stimmten darin überein, dass sie sich an Pracht nicht mit diesem hier messen konnten. Denn abgesehen von der Ansammlung französischer, sardinischer und englischer Offiziere, erschienen die Menschen des Landes in ihren eigenen großartigen und abwechslungsreichen Trachten; und die Gruppen waren unbeschreiblich schön. Der griechische Patriarch, der armenische Erzbischof und der jüdische Hohepriester waren in ihren Staatsgewändern erschienen. Wirkliche Perser, Albaner, Kurden, Serben, Armenier, Griechen, Türken, Österreicher, Sardinier, Italiener und Spanier nahmen in ihren Nationalkostümen teil, und viele trugen ihre mit Juwelen besetzten Waffen. Abdülmecid schritt gemessen mit Lord und Lady Stratford, deren Töchtern und einer herrlichen Reihe von Paschas im Gefolge durch den Ballsaal. Er hielt mit offenkundiger Freude und Wonne beim Anblick der wirklich wunderbaren Szene inne, verbeugte sich zu beiden Seiten und ging lächelnd weiter … Paschas trinken Unmengen Champagner, dessen genaues Genus sie angeblich nicht kennen, und nennen ihn listig » eau gazeuse « .
    Auf dem Ball der französischen Botschaft zeigte sich der Sultan mit dem Orden der Ehrenlegion, den ihm Thouvenel, der französische Botschafter, überreicht hatte. Nachdem er durch einen Salut begrüßt worden war, plauderte er mit ausländischen Honoratioren und mischte sich unter die Tänzer, die zu türkischen Märschen, gespielt von der Armeekapelle, improvisierten. 19
    Der Sultan erfreute sich bei diesen Ereignissen unter anderem besonders an der Erscheinung der europäischen Frauen, deren Kleidung ihm nach eigener Aussge viel besser gefiel als die der Musliminnen. »Wenn der gesellschaftliche Umgang mit diesen Damen ihrem Äußeren entspricht « , ließ er seinen österreichischen Arzt wissen, »dann muss ich euch Europäer beneiden .« Ermutigt durch den Sultan, übernahmen Hofdamen und Frauen von hohen Beamten verstärkt Elemente westlicher Bekleidung: Korsetts, Seidenumhänge und durchsichtige Schleier. Sie ließen sich häufiger in der Gesellschaft sehen und hatten vermehrt Umgang mit Männern. Auch in den Häusern der osmanischen Elite in Konstantinopel war eine gewisse Verwestlichung zu beobachten,

Weitere Kostenlose Bücher