Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
ein Beweis für das eherne Gesetz, dass sich die russische Expansion fortsetzen müsse, bis sie gebremst werde – taucht erneut in einem zweiten Pamphlet auf, das er 1829 herausbrachte. Es trug den Titel On the Practicality of an Invasion of British India . Darin behauptete er, ohne das geringste Beweismaterial für die tatsächlichen Absichten der Russen zu haben, dass eine russische Streitmacht an der Nordwestgrenze Indiens aufgebaut werden könne. Die Schrift fand in offiziellen Kreisen zahlreiche Leser. Wellington sah sie als Warnung und unterrichtete Lord Ellenborough, den Vorsitzenden der Aufsichtsbehörde für Indien, dass er bereit sei, »sich der Frage in Europa zu widmen, falls die Russen mit offenkundiger Feindschaft nach Indien marschieren«. Nach 1833, als die russische Vorherrschaft über das Osmanische Reich scheinbar gesichert war, entwickelten solche Ängste die Wucht einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Im Jahr 1834 veröffentlichte Leutnant Arthur Connolly (der den Begriff »das Große Spiel« für die anglorussische Rivalität in Kleinasien prägte) einen Reisebericht und Bestseller , Journey to the North of India , in dem er behauptete, die Russen könnten die Nordwestgrenze angreifen, wenn sie von den Persern und Afghanen unterstützt würden. 30
Tatsächlich hatten die Russen ihre Präsenz in Kleinasien stetig im Einklang mit ihrer Politik verstärkt, ihre Nachbarn in einem Zustand der Schwäche zu halten. Russische Agenten berieten Persien in außenpolitischen Fragen und organisierten Unterstützung für das Heer des Schahs. Im Jahr 1837, als die Perser die afghanische Stadt Herat einnahmen, hegten viele britische Politiker keinen Zweifel daran, dass dies Teil der Vorbereitung Russlands auf den Einmarsch in Indien sei. »Herat in den Händen Persiens«, schrieb ein ehemaliger britischer Botschafter in Teheran, »kann in keinem anderen Licht gesehen werden denn als vorgeschobener Stützpunkt für die Russen auf dem Weg nach Indien.« Die Presse kritisierte die Tatenlosigkeit britischer Regierungen, welche die »heimlichen« und »schändlichen« Aktivitäten der Russen in Persien nicht zur Kenntnis genommen hätten. »Seit mehreren Jahren«, warnte der Herald , »bemühen wir uns, ihnen klarzumachen, dass sich die ehrgeizigen Absichten Russlands über die Türkei, Tscherkessien und Persien hinaus erstrecken, sogar auf unsere ostindischen Kolonien, die Russland nicht aus den Augen verloren hat, seit Katharina drohte, ihre Armeen in jene Richtung marschieren zu lassen und die einheimischen indischen Fürsten um die Standarte des Großmoguls zu versammeln.« Der Standard rief zu größerer Wachsamkeit Russland gegenüber auf: »Es hat wenig Zweck, Russland zu beobachten , wenn unsere Sorge und Anstrengung mit der Ausübung von Wachsamkeit enden. Wir beobachten Russland seit acht Jahren, und in jenem Zeitraum hat es seine Gebietsgewinne und Militärposten fast 2000 Meilen auf der Straße nach Indien vorgeschoben.« 31
Die Ansicht, dass Russland seinem Wesen nach eine Bedrohung für Indien sei, verbreitete sich unter den seriöse Zeitungen lesenden Briten. Sie wurde von dem anonymen Autor eines bekannten, 1838 geschriebenen Pamphlets mit dem Titel India, Great Britain and Russia in einem Abschnitt ausgedrückt, der an die Dominotheorie des Kalten Krieges erinnert:
Die beispiellosen Aggressionen Russlands in alle Richtungen müssen jegliches Vertrauen in seine Beteuerungen der Friedensliebe zerstören und sollten jeden vernünftigen Fragesteller überzeugen, dass die einzige Grenze seiner Eroberungen in der Begrenzung seiner Macht zu finden sein wird. Im Westen ist Polen in den Zustand einer Vasallenprovinz herabgesetzt worden. Im Süden ist der osmanische Souverän eines Teils seiner Besitzungen beraubt worden und stellt die übrigen dem Belieben seines Eroberers zur Verfügung. Das Schwarze Meer kann nur noch mit Erlaubnis des Moskowiters befahren werden. Die Fahne Englands, die einst stolz über allen Gewässern der Welt wehte, wird beleidigt, und die Handelsunternehmungen seiner Kaufleute sind gelähmt und liegen darnieder. Im Orient verfolgt Russland systematisch den gleichen Kurs: Tscherkessien soll zermalmt und Persien erst zu einer Hilfe leistenden, dann zu einer abhängigen Provinz und schließlich zu einem Bestandteil des Russischen Reiches gemacht werden. Jenseits von Persien liegt Afghanistan, ein durch viele Umstände darauf vorbereitetes Land, dem Angreifer einen bequemen
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