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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Pardoe »die Taktik Russlands, jedes Fortschreiten zur Aufklärung bei einem Volk zu bremsen, das es bereits gefesselt hat und das es nur zu gern unterjochen würde«. 35
    In den vierziger Jahren waren solche Ideen in zahlreichen Reiseberichten und politischen Schriften turkophiler Autoren zum Allgemeingut geworden. In Three Years in Constantinople; or, Domestic Manners of the Turks in 1844 bekräftigte Charles White den Gedanken, dass Großbritannien »die Türken zivilisieren« solle, indem er Beispiele für die Verbesserung ihrer Bräuche und Verhaltensweisen lieferte, etwa die Übernahme westlicher Kleidung, den Rückgang des religiösen Fanatismus und ein wachsendes Streben nach Bildung innerhalb der »mittleren und unteren Klasse«. Bei diesen beiden Klassen
    ist die Vorherrschaft des Guten über das Böse unleugbar. In keiner Stadt werden gesellschaftliche oder moralische Verpflichtungen energischer eingehalten als bei ihnen. In keiner Stadt lassen sich zahlreichere Beispiele für Rechtschaffenheit, sanfte Aufrichtigkeit und häusliche Würde finden. In keiner Stadt ist das Ausmaß von Verbrechen an Eigentum und Personen geringer: ein Ergebnis, das angeborener Ehrlichkeit, nicht vorbeugenden Maßnahmen zugeschrieben werden muss. 36
    Eng verbunden mit diesen Vorstellungen war eine romantische Sympathie für den Islam als grundsätzlich wohlmeinende und fortschrittliche Kraft (wünschenswerter als die zutiefst abergläubische und nur »halb christliche« Orthodoxie der Russen), die viele britische Turkophile erfasste. Urquhart beispielsweise sah die Rolle des Islams, kaum anders als die Türken selbst, als die einer toleranten und mäßigenden Kraft, die den Frieden zwischen den widerstreitenden christlichen Sekten im Osmanischen Reich erhalte:
    Welchem Reisenden sind der Fanatismus, die Antipathie all dieser Sekten – ihre gegenseitige Feindschaft – entgangen? Wer hat ihre tatsächliche Ruhe nicht auf die Duldsamkeit des Islamismus zurückgeführt? Der Islamismus, gelassen, in sich vertieft, ohne den Geist des Dogmas oder Bekehrungseifer, erlegt im Moment den anderen Glaubensbekenntnissen die Zurückhaltung und das Schweigen auf, die ihn selbst kennzeichnen. Man entferne indes dieses mäßigende Element, und die bescheidenen Bekenntnisse, die sich zurzeit auf die religiösen Stätten beschränken, würden am Hof und im Militärlager verkündet werden; politische Macht und politische Feindschaft würden sich mit religiöser Herrschaft und religiöser Bosheit verbinden; das Reich würde im Blut versinken, bis eine nervöse Hand – die Hand Russlands – erscheint und die Harmonie wiederherstellt: durch Despotismus. 37
    Manche dieser Ideen wurden von Lord Stratford de Redcliffe (1786–1880) geteilt, bis zu seiner Erhebung in den Adelsstand im Jahr 1852 bekannt als Stratford Canning, der nicht weniger als fünfmal den Posten des britischen Botschafters in Konstantinopel bekleidete und nach 1839 das Erneuerungsprogramm des jungen Sultans Abdülmecid und seines wichtigsten reformistischen Ministers Mustafa Reschid Pascha direkt lenkte. Stratford Canning, der Cousin von George Canning, der als Außenminister und vor seinem Tod im Jahr 1827 kurzzeitig als Premierminister gedient hatte, war ein überheblicher und ungeduldiger Mann – vielleicht deshalb, weil er nie auf eine Beförderung hatte warten müssen (er war erst 24 Jahre alt und hatte gerade Eton und Cambridge absolviert, als er seinen ersten Posten als bevollmächtigter Minister in Konstantinopel erhielt). Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Stratford 1824, zum Zeitpunkt seiner ersten Berufung als Botschafter an die Hohe Pforte, eine ausgeprägte Abneigung gegen die Türkei verspürte (er sagte, es sei seine Mission, das Land »vor sich selbst zu retten«). In Briefen an seinen Cousin George äußerte er einen »geheimen Wunsch«, die Türken »mit Sack und Pack« aus Europa zu vertreiben, und gab zu, dass er »Lust hatte, das Gleichgewicht von Europa wegen seines Schutzes für jene grässlichen Türken zu verfluchen«. Doch Stratfords Russophobie wog noch viel schwerer als seine Aversion gegenüber den Türken (der Zar, der dies wusste, ergriff 1832 die außerordentliche Maßnahme, ihn als Botschafter in St. Petersburg zurückzuweisen). Russlands zunehmender Einfluss auf die Türkei veranlasste Stratford zu der Meinung, dass nur liberale Reformen das Osmanische Reich retten konnten.
    Im Gegensatz zu Urquhart und den Turkophilen hatte Stratford

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