Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Freiwillige angeworben, meldete der Konsul. Zu einem »heiligen Krieg« gegen die Türken aufgerufen, »sollen sie eine Truppe von Kreuzfahrern bilden, die auf Kosten der russischen Militärbehörden ausgerüstet und bewaffnet wird«. Die Freiwilligen seien als »Kreuzträger« bekannt, da sie auf ihren Tschakos ein »rotes orthodoxes Kreuz auf weißem Grund« zur Schau stellten. Einem russischen Offizier zufolge mussten fast alle dieser Freiwilligen als Hilfspolizisten in der Etappe für Ordnung sorgen, obwohl sie eine militärische Ausbildung erhalten hatten. Der repressive Charakter der russischen Besatzung – öffentliche Versammlungen wurden untersagt, Gemeinderäte vom Militär verdrängt, Zensurmaßnahmen verschärft, Lebensmittel und Fahrzeuge von den Soldaten beschlagnahmt – sorgte weithin für Unmut. Die Russen würden von den Moldauern und Walachen verachtet, berichtete der britische Konsul, »und jeder lacht über sie, wenn es gefahrlos ist«. Auf dem Lande kam es wegen der Beschlagnahmen zu Dutzenden von Tumulten, von denen die Kosaken einige unbarmherzig bekämpften, indem sie Bauern töteten und Dörfer niederbrannten. Auch die türkischen Streitkräfte von Omer Pascha führten einen Terrorkrieg gegen zahlreiche bulgarische Siedlungen – sie zerstörten Kirchen, enthaupteten Priester, verstümmelten Mordopfer und vergewaltigten Mädchen – , um andere von Aufständen gegen sie oder von der Entsendung Freiwilliger zu den Russen abzuschrecken. 16
Omer Pascha lag noch mehr daran, dass die Russen nicht an der türkischen Flanke nach Serbien durchbrachen, wo die serbisch-orthodoxe Geistlichkeit und manche Teile des Bauerntums eine Erhebung zugunsten der Russen heftig befürworteten (was darauf hindeutete, dass die Einschätzung des Zaren und seine Präferenz für einen Angriff in Richtung Serbien gerechtfertigt gewesen waren). Der Befehlshaber der türkischen Kräfte konzentrierte seine Verteidigung auf die strategisch wichtige Gegend um Widin, das östliche Tor zu Serbien an der Donau. Ende Dezember setzte er 18 000 Soldaten ein, um 4000 Russen aus Cetatea an der anderen Seite des Flusses zu vertreiben (als Vorgeschmack auf die im Krimkrieg noch zu erwartenden Kampfmethoden ermordeten die Türken über tausend verwundete Russen, die auf dem Schlachtfeld zurückgeblieben waren). 17
Die Eile, mit der die Türken Serbien verteidigten, war der Instabilität des Landes wegen geboten. Fürst Alexander, der mit Genehmigung der Hohen Pforte herrschte, hatte sämtliche Autorität eingebüßt, und prorussische Elemente in der serbischen Kirche und am Hof bereiteten aktiv einen Aufstand gegen seine Regierung vor, der mit der erwarteten Ankunft des russischen Heeres in Serbien zusammenfallen sollte. Laut dem britischen Konsul in Belgrad hatten sich die Führer der serbischen Armee mit einer russischen Machtübernahme abgefunden und waren sogar an einer entsprechenden Konspiration beteiligt. Im Januar 1854 erklärte der serbische Oberbefehlshaber dem Konsul, es sei »sinnlos, sich einem so unbesiegbaren Staat wie Russland zu widersetzen, der den Balkan erobern und Konstantinopel zur Hauptstadt des orthodoxen Slawentums machen werde«. 18
Falls Serbien verloren ging, bestand die reale Gefahr, dass sich der ganze Balkan gegen die Osmanen erheben würde. Von Serbien aus war es nicht weit bis Thessalien und Epirus, wo 40 000 Griechen bereits eine bewaffnete Rebellion gegen die Türken organisiert hatten. Sie wurden unterstützt von der Regierung in Athen, welche die durch die russische Okkupation der Fürstentümer geschaffene Gelegenheit nutzte, einen Krieg mit der Türkei um die aufständischen Territorien zu beginnen. Die Briten hatten König Otto gewarnt, nicht in Thessalien und Epirus einzugreifen, doch er ignorierte sie. Otto hoffte auf einen russischen Sieg oder zumindest auf einen längeren Krieg an der Donau, um ein größeres Griechenland aufbauen und seine monarchische Diktatur stabilisieren zu können. In Griechenland wallten 1853, genau 400 Jahre nach dem Fall von Konstantinopel an die Türken, nationalistische Gefühle auf, und viele Griechen hofften, mit russischer Hilfe ein neues griechisches Reich auf den Ruinen von Byzanz errichten zu können. 19
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Aus Angst, all ihre Territorien auf dem Balkan zu verlieren, beschlossen die Türken, ihre Verteidigungslinie an der Donau aufzubauen und die Russen im Kaukasus anzugreifen, wo ihnen die muslimischen Stämme zu Hilfe kommen würden. Auf diese
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