Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
»Wie fühlst du dich, Tom?«
»Ich weiß nicht recht, wie ich mich fühle. Ich wünschte, ich wäre zu Hause auf Santa Maria geblieben. Ich wünschte, ich wäre nie irgendwo aufgetaucht, wo Leute auf mich geschossen haben und ich zurückschießen musste. Wo es Leute gab, auf die ich wirklich schießen wollte. Ihr Longknifes steht für eine sehr verwirrende Welt.«
Jetzt war es an Kris zu seufzen. Es war ein sehr manierlicher Laut. Damenhaft. Mutter wäre stolz gewesen. »Ich habe so viel über Geschichte gelesen, so viele Bücher. Sie erzählen immer etwas von den Kämpfen Opa Rays und Opa Troubles. Sie sprechen nie davon, wie es anschließend war.«
»Wie sind sie damit umgegangen?«, fragte Tom.
»Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht.« Kris rieb sich dieAugen und ertappte sich dabei, ein Gähnen zu unterdrücken. Vielleicht zeitigte der Drink schließlich Wirkung. »Warum gehst du jetzt nicht einfach und lässt mich schlafen?«
Ohne auch nur einen Blick zurück zu werfen, ging er.
14
A ls Kris wach wurde, konnte sie sich an keinerlei Träume erinnern und hatte nur einen leicht ekligen Geschmack im Mund; es brachte also Vorteile mit sich, wenn man nüchtern blieb. Sobald sie geduscht, sich angezogen hatte und sich schmerzlich lebendig fühlte, suchte sie die Kantine auf. Vielleicht bildete sie sich das nur ein, aber die Kameraden erschienen ihr heute schwungvoller. Hielten sie die Köpfe wirklich ein bisschen höher? Ein Blick zum Fenster hinaus zeigte ihr den immergleichen grauen Regen; das hatte sich nicht verändert. Der Colonel forderte sie mit einem Wink auf, sich zu ihm an den Tisch zu setzen.
»Haben Sie gut geschlafen?«, erkundigte er sich. Kris überlegte kurz und nickte. Der Colonel musterte dieses Nicken kritisch und befand es für zufriedenstellend. »Ich habe nach Ihren Verwundeten gesehen. Allen dreien geht es besser.«
»Ich sehe nach dem Frühstück nach ihnen«, sagte Kris, während sie feststellte, dass sie hungrig war, und kräftig zulangte.
Der Colonel lehnte sich zurück. »Ich hasse es, Ihnen das sagen zu müssen, aber ich habe heute einen weiteren schwierigen Auftrag für Sie.« Warum lächelte er dann?
»Kann nicht schwieriger sein als der gestern.«
»Viel schwieriger, aber viel weniger gefährlich.« Falls möglich, wurde sein Grinsen noch breiter.
»Colonel, hat Sie jemals jemand zu ihrem wunderbaren Humor beglückwünscht?«
Er brachte kurz ein schiefes Stirnrunzeln zustande. »Nein, kann mich nicht erinnern.«
»Etwas, worüber Sie vielleicht mal nachdenken sollten.« Kris legte eine gedehnte Pause ein und setzte dann das verlangte »Sir« hinzu.
»Zur Strafe dafür erhalten Sie von mir kein weiteres Mitgefühl, Ensign. Wir haben heute einen Gutmenschen zu Besuch, der einen weiten Weg zurückgelegt hat, um sich all die netten Dinge anzusehen, die wir mit seinem Geld anstellen. Ich möchte, dass Sie ihn herumführen und ihm zeigen, was hier läuft, während ich einen netten Ausflug aufs Land unternehme.«
Klang nach einer ausgesprochen langweiligen Methode, um einen Tag totzuschlagen. »Wer ist diese alte Zicke?«
»Gar nicht so alt. Vielleicht finden Sie ihn sogar nett. Ein Mr Henry Smythe-Peterwald, der Dreizehnte seines Namens«, sagte der Colonel. »Schlimm genug, einem Kind den gleichen Namen zu geben wie allen Vorfahren, aber ihn dann auch noch zum Dreizehnten machen!« Der Colonel schüttelte den Kopf.
Kris schaffte es hinunterzuschlucken, was ihr dabei in den Mund stieg, und über den Versuch eines Scherzes zu lächeln, den der Colonel hier unternommen hatte. Oh Mutter! Da bin ich diesem netten jungen Mann, den du mir aufhalsen möchtest, immer wieder ausgewichen, und jetzt muss ich einen Tag mit ihm verbringen! Die Tatsache, dass sein Vater Tante Trus Liste der Leute anführte, die Kris tot sehen wollten, dürfte diese Beziehung nicht schwieriger machen, oder?
Und Sie dachten glatt, der heutige Tage würde weniger gefährlich, Colonel!
Kris sah, wie die Lkw beladen wurden und Tom sie einer abschließenden Prüfung unterzog. Während sich die drei Konvois zur Abfahrt bereitmachten, behielt Kris ein Lächeln im Gesicht, ungeachtet der Aussicht, an einen Schreibtisch gekettet zu bleiben, während sich die meisten derer, die gestern mit ihr gefahren waren, erneut matschigen Straßen, Sümpfen und Banditenstellen mussten. Sie zog das Lachen über den Vorschlag, mit irgendjemandem den Job zu tauschen, so weit in die Länge, wie der lahme Scherz zu gehen
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