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Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)

Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)

Titel: Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Shepherd
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der Tür auf den Boden. Kris drehte sich auf den Bauch, stützte das Kinn auf die Hände und starrte ihn an. »Scheißtag«, fand Tommy.
    Kris hätte beinahe mit ein paar netten inhaltsleeren Worten geantwortet, zum Beispiel: »War er gar nicht«, aber das wäre ihren Gefühlen nicht gerecht geworden. »Woher willst du das wissen?«, blaffte sie. »Du hast einfach getan, was dir gesagt wurde.«
    Tommy musterte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ich schätze, ich war keine große Hilfe.«
    »Hat sich da draußen nicht so angefühlt.«
    »Doc sagte, dass Shirri überleben wird«, wechselte Tom das Thema.
    »Heißt sie so?«
    »Jeb denkt, dass wir für die Auslieferung morgen fünfzehn Laster haben. Der Colonel sagte, wir beide dürften keine Fahrten mehr machen. Wir müssen diesen anderen Ensigns etwas von dem Spaß überlassen.«
    »Ja.« Kris wünschte sich, sie hätte noch mehr vom Whiskey des Colonels gehabt.
    »Also, wann redest du über deinen Kummer?«
    Kris blinzelte zweimal. »Welchen Kummer?«
    »Ich habe mich bemüht, Courtney in jeder Hinsicht zu unterstützen«, sagte Tom und blickte Kris dabei unverwandt in die Augen, »aber die Leute sind einfach immer auf sie zugerannt und haben meine Flanke ignoriert. Alle schienen immer sie anzugreifen. Ich habe eigene Leute hinübergeschickt, um ihr zu helfen, aber es waren einfach so viele Gegner und wir waren nur so wenige.«
    »Gott, es waren wirklich viele«, sagte Kris, und sie sah den Schlamm, den Regen, die Leichen vor sich. »Wie viele haben wir umgebracht?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Nelly, wie viele haben wir getötet?«
    »Ich weiß nicht, Kris. Ich habe den letzten Überblick des Spionauges bislang nicht analysiert. Soll ich?«
    Kris holte tief Luft und starrte auf eine Stelle an der Wand über Tommys Kopf, wo die Reinigungsleute mit dem Schimmel auch Farbe weggeschrubbt hatten. Sie zuckte die Achseln. »Es kommt nicht darauf an, nicht wahr, Tom? Sie bleiben einfach tot, und ich bleibe am Leben und werde nie erfahren, ob sie etwas getan haben, wofür sie den Tod verdient gehabt hätten, oder ob sie einfach nur arme dumme Schweine waren, die hungerten.«
    Tommy entwich ein rasselnder Seufzer, der jede irische Mutter stolz gemacht hätte. »Nein, wir werden es nie erfahren.«
    »Ich überlebe immer. Immer ist jemand anderes hinterher tot.«
    »Wie Eddy.« Tommy zuckte mit keiner Wimper, als er den verbotenen Namen aussprach.
    »Wie Eddy«, flüsterte Kris.
    »Also hast du überlebt und fragst dich, ob du dich besaufen solltest, und sie sind tot, und keine Menge Whiskey, die du trinkst, wird Eddy auch nur einen Augenblick mehr Leben schenken.« Tommy senkte den Blick auf den Fußboden. »Auch keinem von denen, die da draußen im Regen verwesen.«
    »Du liebe Güte, was bist du heute Abend aber in lyrischer Stimmung«, sagte Kris.
    »Es ist wahr, Kris. Du bist am Leben. Ich bin am Leben. Sie sind tot. So läuft es. Wenn ein Minenschacht ins Vakuum explodiert, bringt das die einen um, die anderen überleben. Wer krank zu Hause blieb, überlebt. Das Mädchen, dass eine neue Bohrerspitze holen gegangen ist, überlebt. Das Kid, das rechtzeitig sein Helmvisier geschlossen hat, überlebt. Der alte Hase, der den Helm abgesetzt hatte, weil er schwitzte und weil er wusste, dass es ungefährlich war   … er stirbt. Und niemand kann irgendetwas daran ändern. Vielleicht heben wir heute Abend das Glas zu ihrem Andenken, aber wir sind froh, dass wir leben. Dass sie es waren, die umkamen, und nicht wir. Und wäre es anders gekommen, würden sie die Gläser zu unserem Andenken heben.«
    Tom zuckte die Achseln und blickte Kris in die Augen. »Es ist immer besser, das Glas zu heben.«
    »Wirklich? Ist es besser, überlebt zu haben? Was macht dich so sicher? Hast du es mit dem Tod je ausprobiert? Ich denke, ich gönne mir diesen Drink«, sagte Kris und schwenkte die Beine über die Bettkante.
    Tom stand nicht auf, sondern schüttelte den Kopf. »Du hattest genug.«
    »So etwas wie genug gibt es nicht.«
    »Die Toten hatten alles, was sie brauchten. Und die Lebenden hatten genug.«
    Kris starrte ihn an, wie er da auf der anderen Seite des Zimmers saß. Er spannte sich nicht an, traf keinerlei Anstalten aufzustehen. Trotzdem wusste sie: Wenn sie zur Tür ging, würde er sie aufzuhalten versuchen. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob sie vielleicht mit ihm fertig würde. Würde er wirklich dafür kämpfen, dass sie in dieser Nacht nüchtern blieb? Sie setzte sich wieder.

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