Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
sicher nicht so leben!«
Das war also die Lage. Kris schluckte schwer. Diese Menschen hatten ihr Leben lang gearbeitet, und jetzt verloren sie alles. Sie hatten unter freiem Himmel gearbeitet, und jetzt stürzte dieser Himmel über ihnen ein. Sie hatten um nichts gebeten, nichts erhalten, und Leute wie Brandon hatten jetzt nichts weiter als ihre Wut, an der sie sich festklammern konnten, während der Fluss stieg. Und das Fieber bot Brandon jetzt jemanden, gegen den er seine Wut richten konnte. Kris drehte sich langsam auf ihrem Stuhl und betrachtete die Menschen, die an der Wand lehnten oder auf dem Boden zusammengesunken waren. Sie waren besiegt, am Ende jeder Hoffnung, und warteten auf das Ende. Okay, Ensign Longknife, wie vermittelst du ihnen den Wunsch, e rneut um das zu kämpfen, was von ihrem Leben übrig ist? Das war mal eine Führungsaufgabe.
»Möchten Sie sterben?«, fragte Kris eine Frau, die einen Augenblick lang Blickkontakt zu ihr herstellte. Die Frau zuckte zusammen und senkte die Augen wieder.
»Ist es das?«, fragte Kris einen Mann, der an der Wand stand. »Möchten Sie sich einfach in den Schlamm legen und sich vom Fluss holen lassen?« Er zuckte die Achseln.
Ein Baby, nur wenige Monate alt, schrie los. Die Mutter wiegte das Mädchen sanft und bot ihr dann eine Brust.
»Sind Sie bereit, dieses Kind zu ertränken?«, fragte Kris hart.
»Nein«, antwortete die Mutter, Tränen in den Augen.
»Na ja, Sie sollten sich lieber darauf vorbereiten, denn genau das ist es, worüber dieser Kerl redet.« Kris stand auf. »Okay, es hat Sie übel erwischt, wahrscheinlich viel schlimmer, als irgendjemand sonst im von Menschen besiedelten Weltraum derzeit behaupten kann.« Sie drehte sich langsam im Kreis und starrte hart in ein Gesicht nach dem anderen, forderte von den Menschen, ihren Blick zu erwidern, ihr zuzuhören.
»Als Sams Dad vor fünfzig Jahren hierherkam, waren eine Menge Konzerne bereit, ihn zu belagern … ihm die Hälfte seines Anteils abzukaufen, ihn unter Kontrolle zu bekommen. Er hielt durch, nahm einen Kredit auf … und zahlte ihn zurück. Ich wette, er hat ihn frühzeitig zurückgezahlt«, vermutete sie. Anscheinend hatte sie richtig vermutet, denn Sam nickte stolz und Brandon schnitt ein finsteres Gesicht.
»Nun, ich habe Neuigkeiten für Sie. Noch immer verleihen eine Menge Banken auf diese Art Geld. Natürlich schicken sie keine Vertreter hinaus in Katastrophenregionen, um Leute zu finden, die so am Ende sind, dass sie alles unterschreiben. Das brauchen die Banken gar nicht. Aber sobald dieser Schlamassel vorüber ist und die Sonne zum Vorschein kommt, werden sie für Sie da sein.«
»Wollen Sie uns einen Kredit andrehen, Longknife?«, fauchte Brandon.
»Brandon, Ihr Gehör hat gelitten. Hatte ich nicht gerade erklärt, dass ich von der Navy bin?« Kris wies auf den Goldstreifen an ihrem Kragen. »Die Navy vergibt keine Kredite. Wir sind hier, um so viele von Ihnen lebend aus der Katastrophe zu holen, wie wir können. Aber Brandon, Sie denken auch nicht gerade sehr klar. Sie möchten den Erreger des Grearsonfiebers in die Wasserversorgung bringen und alle auf dieser Schlammkugel umbringen. Leute, denken Sie das einmal mit mir zu Ende.« Kris setzte die langsame Runde durch den Raum fort.
Die Blicke wanderten nach oben. Kris hatte die gewünschte Aufmerksamkeit.
»Wenn der Grearsonerreger in den Fluss gelangt, wird er Port Athens verseuchen. Die Menschen dort unten sind krank und hungrig. Sie werden dann sterben. Eine Menge davon werden Menschen wie ich sein, die gekommen sind, um zu helfen. Ist das der Dank, den Sie für uns übrig haben?«
Ein paar Köpfe wurden geschüttelt. Endlich eine Reaktion!
»Jedermann südlich von Athens hungert. Wir bringen ihnen Lebensmittel, so schnell wir können. Und wenn das Fieber in unser Wasser gerät, bringen wir es auch zu ihnen. Grearson tötet normalerweise die Hälfte der Erkrankten. Wenn also Sie und Ihre Frau es kriegen, stirbt einer von Ihnen beiden. Wenn Ihr Sohn und Ihre Tochter es kriegen, stirbt einer von beiden. Aber die Menschen hungern. Sie sind schon krank. Drei von vieren würden sterben. Wenn Ihre Familie krank wird, sind Sie vielleicht der Einzige, der überlebt. Vielleicht ist es Ihre Tochter. Wer kümmert sich um eine sechs Jahre alte Waise? Es gibt schlimmere Arten zu sterben als das Fieber.«
Blicke, die ihr bislang nur Leere gezeigt hatten, verrieten jetzt Gefühle; Angst, Grauen, Zorn. Ja, sie hatte ihre
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