Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
»Wir haben genug Material für zwei Flaschenzüge. Ich habe die Sachen aus der Hauptscheune geholt. Ich hätte sie schon vor Tagen zum Einsatz bringen sollen, Leute, aber ich konnte einfach nicht glauben, dass die Lage so schlimm werden würde. Tut mir leid«, schloss er.
»Keiner von uns hat es kommen gesehen«, warf einer der Rancharbeiter ein.
»Wie auch immer, wir bringen die Seile hier an; ihr lasst das Seil durchlaufen, während ihr klettert. Sobald ihr oben angekommen seid, bringt ihr die Flaschenzüge in Gang und befördert die Leute nach oben. Im schlimmsten Fall müsst ihr mitMuskelkraft ziehen. Leute mit etwas Erfahrung klettern am besten mit leichter Zugunterstützung von euch. So müssten wir es schaffen«, beendete Sam seine Ausführungen lahm.
»Wie erfahrt ihr es, wenn wir oben angekommen sind?«, fragte ein Rancher.
Kris tippte auf ihr Handgelenk. »Ensign Lien begleitet Sie. Er meldet sich über Funk bei mir, wenn Sie es geschafft haben, und bestellt Hilfe aus Port Athens.«
»Die können uns nicht helfen«, gab José zu bedenken. »Drei oder vier tiefe Schluchten liegen zwischen dort und hier. Die Umwege sind beträchtlich. Deshalb haben wir ja auch den Fluss benutzt.«
»Sag dem Colonel, er soll die Boote als Brücken benutzen«, schlug Kris vor.
»Die Boote?«, echote Tom ungläubig.
»Ja. Unseres hat mit der ersten Einstellung prima funktioniert, sogar noch, als ich es repariert hatte. Sag Hancock, er soll nur keine dritte Formveränderung eingeben.«
»Wenn du das sagst.« Tom schien kein rechtes Zutrauen zu dieser Lösung zu haben. Kris war recht überzeugt davon, dass Hancock so ziemlich alles tun würde, um ihnen beizustehen. Na ja, ihr jedenfalls. Sie war ja eine dieser Longknifes.
»Entweder das, oder die verdammten Boote mögen keine Longknifes«, sagte Kris und wich dabei der Frage aus, ob der Menschenfreund, der sie geliefert hatte, eine bestimmte Longknife umbringen wollte. Diese Überlegung sparte sie sich für später auf.
Die Klettermannschaft stapfte in Richtung Liebessprung los. Kris folgte ihnen und hielt in der verregneten Dunkelheit nach dem höchsten Fleck Land Ausschau, das ihr ein letztes Gefecht ermöglichte. Zum Programm der OKS hatte gehört, wie man eine Stunde lang Wasser trat oder eine Meile weit schwamm. Sie hatte beides prima geschafft, aber sie hatte auch nicht hundert kranke und halbverhungerte Zivilisten über Wasser halten müssen. Der Boden stieg langsam an. Je näher sie der Steilwand kamen, desto mehr zerklüftete Felsbrocken tauchten auf und verrieten, dass die Felswand voraus zu Abbrüchen neigte. Nach allem, was Kris heute durchgemacht hatte, erschien ihr ein herabstürzender Stein nur als eine Todesursache unter vielen.
Die Klettermannschaft rollte jetzt das mitgeführte Seil aus. Nabil und Akuba griffen als Erste zu, gefolgt von José, dann den Ranchern, zuletzt Tommy. Kris überraschte ihn, indem sie ihn drückte. »Gib auf dich acht, Tom, du weißt ja, dass deine Ma keine Medaille möchte.«
»Du kommst ein wenig spät damit, dich daran zu erinnern«, knurrte er, milderte den finsteren Eindruck aber durch ein angespanntes Lächeln. Kris hatte einen Jungen den Fluss hinaufgeschleppt. Jetzt sah es danach aus, als schickte sie einen Mann die Felswand hinauf. »Ich sehe dich morgen«, sagte er und wandte sich ab, um den anderen zu folgen. Die Enden zweier Stricke wurden an die kräftigsten Krüppelbäume gebunden. Die Klettermannschaft führte aufgerollte Seile mit, um sie beim Klettern langsam zu entrollen. Die Gesamtlänge sollte bis nach oben reichen.
Kris wartete nicht, bis sie im Nebel verschwunden waren, sondern wandte sich wieder der eigenen Arbeit zu. »Noch Heuballen übrig?«, fragte sie Sam.
»Nicht viele. Wir hatten nur noch wenige Wochen, bis wir auch die letzten Reste unseres Viehs aufgegeben und verspeist hätten. Dann stieg auch noch das Wasser.«
»Denken Sie, wir könnten damit einen Deich bauen?« Sie wandten sich zur Felswand um und verfolgten, wie der Bergführer und seine Lampe in der Dunkelheit weiter oben verschwanden. »Ich weiß einfach nicht, wo sie die Züge festmachen wollen«, gestand Kris. Dieses Problem machte ihnen allen zu schaffen: zu viel zu tun und zu viele Unbekannte. Sie beidestapften den Weg zurück zu der Stelle, die Kris rasch als ganz neuen Vorraum zur Hölle kennenlernen würde. Zumindest hätte Tommy es so genannt.
Kris hatte vier Tage mit der Vorbereitung des Kampfabsprungs auf Sequim
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